Mit einer Kerze in der Hand durch die Nacht. Das Licht flackert. Seine Wärme verbindet sich mit noch mehr Kerzen und Menschen rundum, während alle den gewohnten Weg plötzlich vorsichtiger gehen. Hat man die Unebenheiten bei Tageslicht nicht bemerkt?
Propst Andreas Möhlig betet schlichte Zeilen, immer und immer wieder, alle sprechen mit und erfühlen den Rhythmus, die meditative Ruhe bei der Lichterprozession mit Gesängen aus Taizé von der imposanten alten Bergkirche hinab zur Propsteikirche: Die Kornelioktav in Aachen-Kornelimünster steht unter dem Leitwort „…weil noch Hoffnung ist“, Buch Hiob (11,18), und umfängt alle mit Zuversicht in einer Zeit der Umbrüche und Krisen. Denn angesichts der bewegenden Geschichte vom gottesfürchtigen Hiob, der aufgrund einer Wette zwischen Gott und dem Satan Vermögen, Familie und Gesundheit verliert, aber an Gott festhält, heißt es: „Du fühlst dich sicher, weil noch Hoffnung ist.“
Zur Eröffnung feiert Propst Andreas Möhlig im rot-goldenen Gewand mit den Gläubigen eine Vesper, an der Gäste aus Politik und Verwaltung teilnehmen. Möhlig lädt dazu ein, sich stärken zu lassen im Blick auf das Jesus-Wort „Ich bin das Licht der Welt.“ Sprüche wie „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ mit ihrem bitteren Beigeschmack lehnt er ab, denn: „Hoffnung stirbt nicht!“ Eine Woche lang gibt es Angebote wie Gottesdienste für besondere Personengruppen, Kunst, Lesungen, Wanderungen, um in die Stille zu gehen – zurückgezogen, aber nie einsam.
Kornelimünster gehört seit dem Mittelalter zu den bedeutendsten Wallfahrtsorten im Bistum Aachen und wird von Gläubigen aus der Region und darüber hinaus besucht, die dort den Reliquien der Heiligen Kornelius und Cyprian in der Propsteikirche begegnen.
In Gottesdiensten und in Gesprächen, bei festlicher Musik und sogar bei Suppe, Kuchen und Kaffee im schlichten Pilgercafé, dem Pfarrheim „Paradies“, treffen sich Menschen jeden Alters. Für gelebte Ökumene sorgt unter anderem Gast Max Heller, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Stolberg und schwerpunktmäßig im Einsatz für den Gemeindebezirk Aachen-Brand. Dann wieder faszinieren aktuelle Einblicke in andere Lebenswelten – etwa bei einer erfrischenden Podiumsdiskussion in Zusammenarbeit mit dem Katechetischen Institut im Bistum, dessen Leiter Alexander Schüller gleich mitgekommen ist: Unmittelbar am Altar begrüßt Bernd Büttgens, Redakteur der Aachener Zeitung, neben Propst Möhlig sechs Hoffnungsträgerinnen und -träger aus unterschiedlichen Bereichen.
„Früher hatte ein Pfarrer eine einzige Gemeinde“, schildert Möhlig seine Situation. „Heute gehören elf dazu, das ist eine Herausforderung, die Kraft verlangt.“ Und da ist Pathologin Benita Hermanns-Sachweh, die in ihrer Arbeit an Verbesserungen von Implantaten – Hoffnung auf bessere Gesundheit – forscht. Neben ihr steht Ilma Sturms, als begeisterte Pädagogin Leiterin des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Aachen, das über 500 Jugendliche aus 70 Nationen besuchen und einander verstehen lernen. Walter Peukert hat in der Telefonseelsorge und nun bei der Ehe- und Familienberatung Menschen getroffen, die müde und hoffnungslos vor ihm sitzen. Er sagt: „Man muss da sein für die Betroffenen, zuhören.“
Marita Körfer wendet sich im Rahmen einer ambulanten Hospizgruppe sterbenden Menschen und deren Angehörigen zu, begleitet sie. „Das erfüllt mich, eine wunderbare Aufgabe“, erklärt sie. Student Jonas Juchelka schließlich ist aktiv im Einsatz, wenn es um Vernetzung geht, bei Gruppen, die etwas gemeinsam aufbauen wollen, aber nicht wissen, wie. „Hoffnung ist der Motor“, sagt er fröhlich.
Die Kornelioktav führt all diese Menschen mühelos zusammen, wenn die Wallfahrt rund um den Namenstag des heiligen Kornelius (16. September) gefeiert wird. Nur in dieser Zeit spricht der Priester den Kornelius-Segen, indem er die Büste sachte hebt, nur an diesen Tagen beschließt das „Kornelius-Lied“ jede Messe. Die Oktav öffnet zudem Räume. So sind in der Krypta berührende Gedichte und Malereien zur Frage „Worauf hoffe ich?“ von Mädchen und Jungen des Inda-Gymnasiums ausgestellt, mit blauen Seen und grünen Wiesen, hoffnungsvoll eben.
Der Bogen ist weit gespannt, ob Fuß- oder Fahrradpilger, Menschen im Rollstuhl oder mit Rollator. „Wir freuen uns jedes Jahr auf die Heilige Messe mit Krankensalbung“, sagt Schwester Dorothea, Ordensfrau bei der Kongregation der Schwestern vom armen Kinde Jesus in Aachen. „Dass wir als ältere Menschen gesondert angesprochen und eingeladen werden, tut uns gut.“
Generalvikar Jan Nienkerke ist als Zelebrant gekommen. Yvonne Schabarum lässt sanft ihre Oboe d’amore erklingen, was für eine besinnliche Atmosphäre sorgt. In seiner Predigt geht Nienkerke auf die biblische Geschichte von der „Tochter des Jairus“ (Markus 5, 35-43) ein und nimmt das aramäische Jesus-Wort „Talita kum“ („Mädchen, ich sage Dir, stehe auf“) zum Zeichen, dass selbst in Krankheit und Schwäche noch Anlass zur Hoffnung bestehe. Der Messe folgt die Krankensalbung als „besondere Stärkung“: Das hochwertige Krankenöl (Olivenöl) duftet zitronig und wird beim Segen auf Stirn und Hände gegeben.
Wenn am letzten Tag Kantorei (Leitung Klara Rücker) , Solisten und Orchester Mozarts „Krönungsmesse“ und das „Te deum“ erklingen lassen, die Korneliusbläser fromme Signale aussenden und Dompropst Rolf-Peter Cremer bei der Schlussandacht ein letztes Mal auf Hiob hinweisen kann, verklingt eine Oktav der guten Gedanken – vielleicht bei einer Kerzenwanderung auf holpriger Straße, die in der warmen, abgedunkelten Kirche ihr friedvolles Ziel hat.