Zeugnisse der Corona-Zeit

Eine Ausstellung in Mönchengladbach zeigt künstlerisch gestaltete Karten von Prominenten zur Pandemie

Der Sozialethiker Elmar Nass und sein Bruder Wenzel haben Elefanten als Symbol für „Hoffnung“ und „Zusammenhalt“ gewählt. (c) Foto/Repro: B. Kühlen Verlag
Der Sozialethiker Elmar Nass und sein Bruder Wenzel haben Elefanten als Symbol für „Hoffnung“ und „Zusammenhalt“ gewählt.
Datum:
30. Sep. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 40/2020 | Garnet Manecke

Wie war eigentlich die Gefühlslage zu Beginn der Pandemie? Welche Gedanken hat die Menschen durch die Zeit gebracht? Regionalvikar Klaus Hurtz wollte es genau wissen und hat Prominente aus Kirche, Kultur und Gesellschaft gebeten, ihre Gefühle in Wort und Bild festzuhalten. Die Karten sind nun in einer Ausstellung in St. Franziskus Mönchengladbach zu sehen.

Pfarrer Klaus Hurtz zeigt die Karten von Marie Adams, Bert Gerresheim und Markus Lüpertz (v. l.). (c) Garnet Manecke
Pfarrer Klaus Hurtz zeigt die Karten von Marie Adams, Bert Gerresheim und Markus Lüpertz (v. l.).

Marie Adams fand die Monate im Lockdown langweilig. Langweilig und traurig. Denn die Neunjährige durfte sich nicht mit ihren Freunden treffen, nicht zur Schule gehen und die Feier zu ihrer ersten heiligen Kommunion ist auch ausgefallen. „Darauf hatte ich mich so sehr gefreut“, schreibt die Grundschülerin aus Geilenkirchen. Unter ihre Zeilen hat sie sich im Kommunionkleid mit Gebetbuch in der Hand gemalt. Die Figur lächelt zwar, aber mit Bleistift hat Marie das Mädchen im weißen Kleid durchgestrichen.

Maries Karte ist eine von 61 Karten, die in einer Ausstellung in der Kirche 
St. Franziskus Mönchengladbach präsentiert werden. Der Ort ist wohlüberlegt gewählt: Über den Vitrinen mit den Karten hängt Markus Lüpertz’ Bilderzyklus „Der Totentanz“ – passend zur Situation in der Corona-Pandemie. „Corona bringt uns unsere eigene Vergänglichkeit nochmal ins Bewusstsein“, sagt Pfarrer Klaus Hurtz. 
„St. Franziskus ist für so eine Ausstellung geradezu prädestiniert, denn der Totentanz hatte seinen Ursprung auch in einer Pandemie – nämlich der Pest.“
An einem Sonntagnachmittag im Juni sei ihm die Idee gekommen, Prominente anzuschreiben und um ein paar kurze Worte zur Situation zu bitten. 90 Briefe hat er verschickt, in jedem steckte neben dem Anschreiben auch eine Blankokarte im DIN-A5-Format, die die Promis gestalten sollten. Zwei Drittel der Angeschriebenen haben geantwortet.


Fürstin Gloria rät zur Heiterkeit, Elmar Nass zu Hoffnung und Zuversicht

Mit schwungvoller Schrift rät Fürstin Gloria von Thurn und Taxis zu Gottvertrauen und Gelassenheit. „Immer heiter, Gott hilft weiter! Zuversicht und Gelassenheit!“ hat sie mit schwarzem Stift geschrieben. Der Sozialethiker Elmar Nass hat zusammen mit seinem Bruder Wenzel die Karte gestaltet. Auf der einen Seite ist das Bild zweier Elefanten im Gegenlicht zur Sonne zu sehen. „Hoffnung und Zuversicht“ haben die Brüder das Bild auf der anderen Seite betitelt.

Um auch Details besser sehen zu können, hat Hurtz die Bilder im DIN-A4-Format drucken lassen und in der Kirche an einem Bauzaun aufgehängt. Die Originale liegen daneben in Vitrinen. Hurtz hat alle Ministerpräsidenten angeschrieben, acht haben geantwortet. „Bodo Ramelow hat geradezu postwendend reagiert und seine Karte zurückgeschickt“, sagt der Geistliche. Auch der Panikrocker Udo Lindenberg habe sofort geantwortet. „Ihm habe ich geschrieben, dass wir mal im Hotel Atlantic in Hamburg gemeinsam eine Zigarette geraucht haben“, berichtet Hurtz. „Wenn auch auf Distanz, wir haben nicht miteinander geredet.“ Der Musiker hat dem Geistlichen ein Selbstporträt und eine neue Wortkreation geschenkt: Welt-Änderungsschneiderei.


Bischof Helmut Dieser hat seine Karte der Grundschülerin Marie Adams gegeben

Nicht nur mit der Pandemie, sondern auch mit der Schutzheiligen Corona haben sich die Künstler Bert Gerresheim und Markus Lüpertz in ihren Arbeiten auseinandergesetzt. Gerresheim hat in einer Schwarz-Weiß-Zeichnung den Tod als Eulenspiegel dargestellt. Mit Corona-Krone auf dem Kopf und als Zierrat auf der Spiegelrückseite. Lüpertz hat die Heilige in ausdrucksstarken Farben gemalt.

Auf die Kraft des geschriebenen Wortes setzen Wilhelm Bruners und Superintendent Dietrich Denker. Beten, hören, feiern und helfen nennt Denker als sein Lebens- und Glaubenselixier. Wer bei dem Wort „feiern“ leise zuckt, weil Bilder von Open-Air-Partys vor dem inneren Auge erscheinen, sei beruhigt: Denker hat dem Wort einen Satz vorangestellt. „Jesus Christus in Gottesdiensten auch unter erschwerten Hygieneregeln FEIERN“, heißt es auf der Karte.

Lothar Wieler, Chef des Robert-Koch-Instituts, hat das Projekt genauso unterstützt wie Horst Seehofer, Volker Bouffier, Heins Mack, Ulla Hahn oder Heinrich Mussinghoff. Wie passt die Karte von Marie Adams in die Reihe? Die Frage kann Bischof Helmut Dieser beantworten. Er hat seine Karte an Marie gegeben und sie gebeten, Klaus Hurtz’ Bitte zu erfüllen.

 

Geöffnet ist die Ausstellung „Corona-Zeitzeugnisse“ vom 3. bis 16. Oktober, täglich von 14 bis 17 Uhr in St. Franziskus, Franziskusstraße 5, 41238 Mönchengladbach. Der Eintritt ist frei. Zur Ausstellung ist im B. Kühlen Verlag ein Buch mit den Bildern und Texten erschienen: 19,80 Euro