Zeit zum Durchatmen

Neue Kurzzeitwohngruppe des Vinzenz-Heims für Kinder und Jugendliche

Vinzenz-Heim (c) Vinzenz-Heim
Vinzenz-Heim
Datum:
16. Aug. 2017
Von:
Andrea Thomas
Die Sonne scheint. Da heißt es für die kleine Gruppe: nichts wie raus. Ziel ist der Spielplatz auf dem Außengelände. Niklas steuert zielstrebig seine Lieblingsschaukel an. Beim Hin- und Herschwingen vergisst er alles um sich herum, sogar Heimweh zu haben.
Vinzenz-Heim (c) Andrea Thomas
Vinzenz-Heim

Niklas hat zwei Wochen Ferien in der „Bunten Gruppe“ verbracht, dem Kurzzeitwohnangebot für Kinder und Jugendliche mit Behinderung des Vinzenz-Heims.

Die Möglichkeit einer vorübergehenden Betreuung, wenn die Eltern eines geistig oder körperlich behinderten Kindes krank sind, Urlaub machen oder einfach mal eine Auszeit brauchen, gibt es schon länger im Vinzenz-Heim. Bislang stand dafür jedoch nur ein Platz an den Wochenenden oder in den Ferien zur Verfügung – der durchgehend ausgebucht war. Seit Mai bietet der Kinder- und Jugendbereich der Aachener Einrichtung nun eine eigene Kurzzeit-Wohngruppe mit sechs Plätzen an, die „Bunte Gruppe“. Sie ist im gleichen Haus wie die Kinder- und Jugendwohngruppen untergebracht, in deren Angebote sie auch eingebunden ist.

Eingehende Gespräche im Vorfeld, damit alle ein gutes Gefühl haben

„Gestartet sind wir im Mai und Juni zunächst freitags bis sonntags, seit Juli haben wir die ganze Woche über geöffnet“, erläutert Leiterin Annett Stachowski. Vieles sei noch im Anfang, da sammelten sie und ihr Team aus Erziehern und Pflegekräften noch Erfahrungen, wie die Gruppe und die Betreuung strukturiert sein müssen, damit ihre jungen Gäste sich bei ihnen wohl und geborgen fühlen und auch die Eltern gut loslassen können. „Das muss für alle Beteiligten stimmig sein“, sagt sie. Immerhin vertrauten ihnen die Eltern ihren wertvollsten Schatz an.

Dem Aufenthalt gehen daher eingehende Gespräche und bei Bedarf auch Hausbesuche voraus. Welche medizinische und pflegerische Betreuung braucht das Kind bzw. der Jugendliche? Wie ist normalerweise sein Tagesablauf? Gibt es bestimmte Rituale, die ihm Sicherheit geben, zum Beispiel beim Einschlafen? „Das kann eine vertraute Bettwäsche sein, das Lieblingsstofftier oder ein Hörspiel. Das sind oft Kleinigkeiten, die uns aber die Arbeit erleichtern und den Kindern helfen, sich hier wohl zu fühlen“, schildert Annett Stachowski. Damit auch die Eltern ein gutes Gefühl haben, können sie jederzeit anrufen, so wie sie und ihr Kind das brauchen.

Der erste Aufenthalt ist auf zwei Übernachtungen begrenzt, um zu sehen, ob und wie das Kind damit klarkommt und ob eine Betreuung auch für das Team gut zu leisten ist. Später sind dann bei entsprechender Genehmigung über den Landschaftsverband Rheinland (LVR) bis zu sechs Wochen übers Jahr verteilt möglich. „Was ich so toll an dem Angebot finde: Eltern müssen sich nicht erklären, warum sie ihr Kind in die Betreuung geben, müssen nicht vor einer OP oder dem Burnout stehen“, erklärt Stachowski. So könne die Auszeit allen in der Familie helfen und gut tun: den Eltern, die sich täglich der unglaublichen Herausforderung stellen, ein Kind mit Behinderung großzuziehen, den gesunden Geschwistern, die oft zurückstecken müssen, und auch dem behinderten Kind selbst, das ein wenig mehr Selbstständigkeit und Unabhängigkeit gewinnt und lernt, mit anderen in der Gruppe umzugehen.

Die Kinder entwickeln in der Gruppe soziale Kompetenzen und Hilfsbereitschaft

Der Tag in der „Bunten Gruppe“ folgt einer festen Struktur mit gemeinsamen Mahlzeiten und Aktivitäten. Spielt das Wetter mit, geht die Gruppe nach draußen. Frische Luft kommt bei den meisten der kleinen Gäste gut an. Entweder nutzten sie das Außengelände des Vinzenz-Heims mit seinem Spielplatz oder machten einen Ausflug in die nähere Umgebung, erzählt Annett Stachowski. Jetzt in den Ferien nehmen sie außerdem an den an drei Tagen stattfindenden Ferienspielen der Einrichtung teil. An den anderen Tagen geht es in den Wald, in den Ferberpark oder in den Aachener Tierpark, immer abhängig von der Zusammensetzung der Gruppe.

In der „Bunten Gruppe“ treffen Kinder mit sehr unterschiedlichen geistigen und körperlichen Behinderungen zusammen, von der frühkindlichen Autismusstörung bis zur Schwerstmehrfachbehinderung, was eine Herausforderung darstellt, aber auch bereichert. „Kinder mit einer Schwerstmehrfachbehinderung genießen meist, wenn um sie herum Leben ist. Für die anderen ist das Miteinander lehrreich. Es berührt, welche sozialen Kompetenzen sie untereinander entwickeln und einander helfen“, schildert Annett Stachowski. Das oder wenn ihre kleinen Gäste zufrieden sind und vergessen, dass das nicht zu Hause ist, sind die Momente, wo alle wissen: Es funktioniert – und zwar gut.

Informationen und Kontakt: www.vinzenz-heim.de

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