Wieder neuer Gesprächsstoff

Der Besuch der Tagespflege ist für alte Frauen und Männer weit mehr als Unterhaltungsprogramm

Beim Sternebasteln ist Koordination und Geduld gefragt. (c) St. Gereon Seniorendienste
Beim Sternebasteln ist Koordination und Geduld gefragt.
Datum:
16. Dez. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 51/2020 | Garnet Manecke

Der Besuch in der Tagespflege ist für alte Menschen ein wichtiges Ereignis, um soziale Kontakte zu pflegen. Im Frühjahr war das nicht möglich. Dabei sind die vielen Anregungen für die Gäste wichtig. Viele blühen auf, seit das wieder möglich ist.

Wenn Kerstin Palm auf ihre Schützlinge schaut, freut sie sich jeden Tag ein bisschen mehr. „Man kann zusehen, wie die Menschen hier wieder Freude bekommen“, sagt die Altenpflegerin in der Tagespflege St. Gereon Linnich. Beim Backen erinnern sich die Frauen und Männer daran, wie in ihrer Kinderzeit gebacken wurde. Das Gefühl, wenn die Hände den Teig berühren und der Duft des Gebäcks, das im Ofen goldbraun wird, spricht ihre Sinne an. Das kleine Glück eines Plätzchens zum Kaffee zeichnet sich in den Gesichtern ab.

Das Wohlgefühl geht weit über die nostalgischen Erinnerungen der Gäste in der Tagespflege St. Gereon Linnich hinaus. „Hier werden sie mehr gefordert als das zu Hause der Fall ist“, sagt Palm. Denn das Zusammensuchen der Zutaten, die Koordinierung beim Backen und schließlich das Essen trainiert die Fähigkeiten der alten Menschen.
„Viele unserer Gäste hatten während der Isolation im Frühjahr stark abgebaut“, hat Palm beobachtet. Die Zeit habe sehr deutlich gezeigt, dass der Besuch der Tagespflege für die Menschen sowohl Unterhaltungs- als auch Nutzwert hat. „Bei den Tätigkeiten  trainieren sie wichtige Fähigkeiten“, sagt die Altenpflegerin. In kleinen Gruppen nehmen die 16 Gäste, die täglich in die Einrichtung kommen, an verschiedenen Kreativitätsangeboten teil.
Das reicht vom Basteln der Weihnachtsdekoration, die mitunter feinmotorische Handarbeit erfordert, bis hin zum Kochen eines klassischen Sonntagsbratens, bei dem aus dem eigenen Erfahrungsschatz geschöpft wird.

Ein wichtiger Faktor sind zwischenmenschliche Beziehungen: Dass sich jemand für sie Zeit nimmt, ihnen zuhört, sie nach ihrem Befinden fragt, sich mit ihnen unterhält. Pflegende Angehörige können das oft nicht so leisten, weil sie in ihren Alltagspflichten eingebunden sind. „Auch für sie ist es wichtig, dass sie mal eine Auszeit haben“, fällt Palm immer wieder auf.


Der Lockdown im Frühjahr hat bei vielen Spuren hinterlassen

Der Lockdown im Frühjahr hat Spuren hinterlassen. „Die Gäste haben in der Isolation sowohl körperlich als auch psychisch massiv abgebaut“, konnte Palm beoabachten. Das lag zum einen daran, dass es im häuslichen Umfeld wenig neue Reize gibt, die die 
alten Menschen fordern. Dabei lernen Menschen auch im hohen Alter noch. Auch das konnte die Altenpflegerin in der Tagespflege beobachten. „Wir müssen hier natürlich die Schutzvorschriften einhalten“, sagt sie. „Das Personal trägt Mund-Nasen-Schutz, und alles wird regelmäßig desinfiziert.“ Die Gäste selbst müssen in den Räumen der Tagespflege keine Masken tragen – wohl aber im Taxi, das sie zur Tagespflege bringt und am Ende des Tages auch wieder abholt. „Es ist erstaunlich, wie schnell sich die Frauen und Männer an die neue Routine mit Fiebermessen bei der Ankunft und Hände-Desinfizieren gewöhnt haben“, sagt Kerstin Palm.

Angesichts der Erfahrungen  aus dem Lockdown im Frühjahr und seinen Folgen ist Manuela Garbrecht, Leiterin des Pflegestützpunktes Ratheim, froh, dass vom gegenwärtigen Lockdown die Tagespflege nicht betroffen ist. „Wir sind weiter für unsere Gäste da“, sagt sie.

Im Frühjahr hätten viele Gäste und Angehörige nachgefragt, wann der Besuch endlich wieder möglich sei, erinnert sich Kerstin Palm. „Viele Angehörige sind berufstätig. Aber auch diejenigen, die Vollzeit betreuen, sind megafroh darüber, dass sie mal eine Auszeit haben“, berichtet sie. Und noch ein Grund fällt ihr ein: „Wenn man jeden Tag 
zusammen ist, geht einem irgendwann der Gesprächsstoff aus.“ Jetzt haben die Senioren zu Hause wieder etwas zu erzählen.

Tagespflege –Treffpunkt und Lernort

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