Weit mehr als nur ein Etikett

Das Pius-Gymnasium hat sich 2018 auf den Weg gemacht, anerkannte Unesco-Projektschule zu werden

Im Coronajahr 2020 musste das jährliche Europa-Projekt des Pius digital stattfinden. Thema waren „Europäische Werte“. (c) Pius Gymnasium
Im Coronajahr 2020 musste das jährliche Europa-Projekt des Pius digital stattfinden. Thema waren „Europäische Werte“.
Datum:
11. Nov. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 46/2020 | Andrea Thomas

Schule, das ist mehr als reine Wissensvermittlung. So versteht sich auch das Aachener Pius-Gymnasium, das seinen Schülerinnen und Schülern als Bischöfliche Schule eine christliche Perspektive auf die Welt und auf jeden Einzelnen mit seinen Stärken und Talenten vermitteln will. Seit zwei Jahren tut die Schule dies auch als angehende Unesco-Projektschule.

Christel Ellerich vor der Teilnehmerliste an der simulierten UN-Konferenz 2019 in Brüssel. (c) Pius Gymnasium
Christel Ellerich vor der Teilnehmerliste an der simulierten UN-Konferenz 2019 in Brüssel.

„Wir haben als christliche Schule alle Voraussetzungen, die es dafür braucht, und es ist uns ureigen, diese auch umsetzen zu wollen“, sagt Christel Ellerich, Unesco-Projektschul-Koordinatorin des Pius. Der Weg zur anerkannten Projektschule der Unesco besteht aus drei Stufen: Als „interessierte Schule“ wird man zunächst Mitglied auf Ebene seines Bundeslandes. Es folgt die zweite Stufe als „mitarbeitende Schule“ auf Bundesebene und schließlich die Mitgliedschaft (inklusive des offiziellen Logos) als „anerkannte Unesco-Projektschule“ im internationalen Netzwerk. Der gesamte Zertifizierungsprozess geht über vier bis sechs Jahre. Seit Beginn dieses Jahres ist das Aachener Gymnasium auf Stufe zwei angekommen.

Lorbeeren, auf denen es sich jedoch nicht ausruhen kann und darf, denn das Durchlaufen der Stufen geht mit einem fortlaufenden Entwicklungsprozess einher. In jedem Stadium muss eine Schule nachweisen, dass sie nicht nur die Leitlinien der Unesco erfüllt und in ihrem Schulprogramm verankert hat, sondern sich auch durch die aktive Teilnahme und kreative Mitwirkung an regionalen, bundesweiten und internationalen Veranstaltungen des Netzwerks einbringt. Anerkannte Unesco-Projektschulen müssen zudem alle fünf Jahre die Fortsetzung der Mitgliedschaft beantragen.

Neben einem christlichen Welt- und Menschenbild, christlicher Werteerziehung, Engagement für den Frieden und der Bewahrung der Schöpfung – alles Dinge, die auch eine Unesco-Projektschule mitbringen sollte – punktet das Pius-Gymnasium mit seiner europäischen Ausrichtung und seinen Partnerschaften mit Schulen in St. Brieuc, Paris, Liberec (Tschechien), Leipzig, Barcelona, Reigate (England) und Ningbo (China). Für Schulleiter Ulrich Brassel vereinigt sich das alles vor allem in einer der sechs thematischen Säulen (siehe Kasten), von denen Unesco-Schulen getragen werden, dem „global citizenship“. „Was bedeutet globale Bürgerschaft? Sich für das zu interessieren, was in der Welt passiert, soziales Lernen mit konzeptionellem Blick weiterzuentwickeln. Das zieht sich bei uns durch alle Fachbereiche und Jahrgänge.“ Über die internationalen Schulpartnerschaften lernten die Schüler „andere Ecken der Welt kennen und auch lieben“. Woraus dann wieder soziale Hilfsprojekte entstünden, wie der von einer Ehemaligen gegründete gemeinnützigen Verein „Togo Ta Alafia“. Der setzt sich dafür ein, dass Kinder dort eine Geburtsurkunde bekommen, die wiederum den Zugang zu Bildung und damit die Chance ermöglicht, sein Leben in die Hand zu nehmen.

Oder die Beschäftigung mit dem Thema „Nachhaltigkeit“, aus der inzwischen drei AGs entstanden sind, die sich unter anderem mit fairem Handel beschäftigen. Wer lerne, über den eigenen Tellerrand zu schauen, und sich mit globalen Zusammenhängen beschäftige, dem liege auch dann auch Demokratie und Menschenrechte sowie der Einsatz für den Frieden am Herzen. All das bündele sich noch einmal unter dem „Brennglas“ der Mitarbeit im Netzwerk der Unesco-Schulen. „Wir haben eine sehr engagierte Schulgemeinschaft. Mitarbeitende Unesco-Schule zu sein, ist eine gute und willkommene Möglichkeit, sich noch einmal selbst über Erziehung und Bildung zu vergewissern. Das braucht es, um sich nicht zu verzetteln. Die Rückmeldungen der deutschen Unesco-Kommission als Partner sind da sehr wertvoll.“ 
Auch für Christel Ellerich entstehen so viele Schnittmengen, von denen ihre Schüler profitierten. „Europäische Projekte sind zunehmend vom Nachhaltigkeitsgedanken geprägt, um ihn zu verankern, als Europäische Gemeinschaft und als einzelner Staat in der UN. Dabei geht es nicht nur um ökologische Aspekte, sondern auch um Werte, darum, wie man mit mir als Mensch umgeht.“ Bislang habe jeder Schüler am Ende seiner Schulzeit einen Europa-Pass bekommen, daraus werde nun die Unesco-Schüler-Biografie.


Vom Dom bis zur UN-Modell-Tagung

Ein weiterer Pluspunkt des Pius-Gymna-siums als mitarbeitende Unesco-Partnerschule ist, dass sie das erste deutsche Unesco-Weltkulturerbe quasi „vor der Schultüre“ hat, nämlich den Aachener Dom. Der ist für die Schüler mehr als nur ein geschichtsträchtiges Bauwerk. Der Dom ist ihre „Hauskirche“, wo sie als Schulgemeinschaft immer wieder auch Gottesdienste zu besonderen Anlässen feiern. „Eine unserer ersten Aktionen nach der Aufnahme als Unesco-Schule war daher auch die Teilnahme unserer Fünft- und Sechstklässler an der Dom-Umarmung, die das Kindermissionswerk ,Die Sternsinger‘ zum 40. Jahrestag des Doms als Weltkulturerbe organisiert hatte“, erzählt Christel Ellerich. Weitere Projekte sind die Ausbildung zum Kinder- und Jugend-Domführer in Absprache mit der Dom-Info sowie die Dombau-AG. Pius-Schüler erarbeiten unter Anleitung des Dombaumeisters Beschreibungen zu 77 Domfiguren des Bildhauers Gottfried Götting, die zwischen 1865 und 1876 in die Außenfassade des Aachener Dom integriert worden sind.

Im vergangenen Jahr haben Oberstufenschüler im Rahmen des (auf englisch abgehaltenen) Projektkurses „ModelUnitedNations@Pius“ an einer internationalen Modell-Tagung in Brüssel teilgenommen. Dabei geht es um die Simulation von Konferenzen der UN-Generalversammlung und des UN-Sicherheitsrates zu weltpolitischen Fragestellungen. Außerdem hat sich das Pius an einem „Afrika-Tag“ mit anderen Unesco-Schulen aus NRW beteiligt und hatte ursprünglich für dieses Jahr zum Unesco-Projekttag im April eine Veranstaltung in Aachen zum Thema „Demokratie“ geplant, die jedoch wegen Corona ausfallen musste.

Quer durch alle Jahrgänge, die Elternschaft und das Kollegium zu vermitteln „Wir sind Unesco-Schule“ und alle mitzunehmen, sei schon ein „Kunststück“, wie Ulrich Brassel erklärt, aber eines, das lohnt, weil es auch auf allen Ebenen eine Menge Perspektiven eröffne.

 

Info

Die Arbeit von Unesco-Projektschulen beruht auf sechs Säulen: Menschenrechtsbildung und Demokratieerziehung, Interkulturelles Lernen und Zusammenleben in Vielfalt, Bildung für nachhaltige Entwicklung (u.a. Umweltbildung, globales Lernen), Global Citizenship, Freiheit und Chancen im digitalen Zeitalter sowie Unesco-Welterbe-Erziehung. Aktuell gehören zum weltweiten Netzwerk 11500 Schulen in 182 Ländern, 300 aus Deutschland.
Mehr: www.pius-international.eu