Von Ermöglichungsräumen

Synodalversammlung diskutierte die Strukturen im Bistum Aachen, die ab 2028 gelten sollen

In sogenannten „Resonanzräumen“ wurde in unterschiedlichen Kompetenzrunden die neue Struktur diskutiert und schließlich präsentiert. (c) Dorothée Schenk
In sogenannten „Resonanzräumen“ wurde in unterschiedlichen Kompetenzrunden die neue Struktur diskutiert und schließlich präsentiert.
Datum:
7. März 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 10/2023 | Dorothée Schenk

In Struktur- und Organisationseinheiten wird das Bistum Aachen bis 2028 auf den Kopf gestellt – oder „grundsaniert“, wenn man den Worten von Generalvikar Andreas Frick folgt. Es geht nicht so schnell wie gewünscht, und es sind noch viele Fragen offen. Das ist das Fazit der jüngsten Synodalversammlung, zu der die Vertretungen der Räte zusammengekommen sind. 

„Orte von Kirche“: Wie kann das gehen? Das erläuterte Andrea Kett als Abteilungsleiterin „Pastoral in Lebensräumen (c) Dorothée Schenk
„Orte von Kirche“: Wie kann das gehen? Das erläuterte Andrea Kett als Abteilungsleiterin „Pastoral in Lebensräumen

In den vergangenen fünf Jahren ist in vielen Abstimmungsrunden der „BAG“ – Basisarbeitsgruppen – folgende „Marschrichtung“ schriftlich niedergelegt worden: Statt 326 soll es künftig 8 bis 13 Pfarreien geben; statt 71 GdG künftig 50 Pastorale Räume mit bis zu 100 Körperschaften des öffentlichen Rechts – gemeinhin als Kirchengemeinden im Bewusstsein; in beliebig großer Zahl werden „Orte von Kirche“ installiert. Sie soll sich selbstverständlich an Spiritualität und der frohen Botschaft verankern. Dennoch geht es zunächst – im Klartext – um die grundlegende Veränderung der Organisationsstruktur im Bistum Aachen.

Dazu entstehen die großen Fragen und auch Unstimmigkeiten. Wie kommt es zu den festgelegten „Größen“: Warum 8 bis 13? Warum 50? Wie wird Personal – Stichwort: sinkende Zahl von Geweihten und Hauptamtlichen – eingesetzt? Wie werden die Kirchenfinanzen gesteuert? Was passiert mit Fabrikfonds, und wer verwaltet sie? Das alles sind Fragen, die in den kommenden Monaten geklärt und mit Antworten versehen auf den Weg gebracht werden sollen. Start soll bereits zum 1.Januar 2024 sein, wobei Generalvikar Andreas Frick betonte, dass es sich dabei tatsächlich nur um den Umsetzungsbeginn handelt. Die finale Strukturänderung soll bis Neujahr 2028 vollzogen sein.

In der Synodalversammlung ging es nicht um ein abschließendes Votum der „Delegierten“, sondern um Austausch und Meinungsabfrage. Elegant fasste Theologe Andreas Wittrahm die Aufgabe des Tages in Worte. Es gehe um die Frage „Wie verhalten sich Orte von Kirche und Pastoraler Raum zueinander?“, und klar sein müsse, dass der Pastorale Raum nicht Herrschaftsraum, sondern Ermöglichungsraum sein müsse. Interessant waren vor allem im Tagesverlauf die Nachfragen oder Anmerkungen aus dem Auditorium: Wenn ein Haltungs- und Kulturwechsel gewünscht sei, müsse klar sein, wie die weiteren Entscheidungs- und Findungsprozesse aufgestellt seien, meinte Pastoralreferentin Anita Zucketto-Debour.

Mechtild Jansen, Geschäftsführerin des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Aachen, sieht noch Defizite in der als notwendig erkannten Vernetzung der Projektgruppen. Außerdem könne man nicht über eine AG Stellenbesetzung sprechen, wenn weder die Finanzierung noch  inhaltlich-strukturelle Fragen geklärt seien. Dem entgegnete Generalvikar Andreas Frick, dass es nicht nur um neue, sondern um bereits existente Stellen ginge. Immer noch offen, auch das wurde in unterschiedlichen Wortbeiträgen deutlich, ist die Frage der Leitungsformen. Wie viel Ehrenamt ist möglich oder wo muss immer noch ein Pfarrer die Leitungsfunktion übernehmen? Klar werden müsse, sagte Diözesancaritasdirektor Stephan Jentgens, die Unterscheidung zwischen Leitung und Steuerung.

Generalvikar Andreas Frick gibt die Palette der Themen vor. (c) Dorothée Schenk
Generalvikar Andreas Frick gibt die Palette der Themen vor.

Nach den Grundsatzinformationen und Impulsen zogen sich die vom Bischof Einberufenen nicht zu Workshops, sondern in sogenannte „Resonanzräume“ zurück. In Debatten wurde dokumentiert, welche Veränderungen notwendig sein werden, was erhaltenswert ist oder auch neu hinzukommen soll. Abschließend diskutiert wurden die Ergebnisse allerdings nicht.

Die Bildung der Pastoralen Räume soll von unten wachsen. Das wurde noch einmal betont. Darum sind die acht Regionalteams derzeit mit ihren Gremien vor Ort im Gespräch und in der Findungsphase. Bis zum Sommer sollen sie Vorschläge unterbreiten, welche Grenzen Pastoraler Räume sie sich vorstellen können. Das ist ein sportlicher Zeitplan. Zumal es sicher reichlich Diskussionsbedarf vor Ort geben dürfte, wie Dieter Verheyen, Sprecher der  Kirchenvorstandsinitiative „Kirche bleibt hier“, verdeutlichte. Nach einer Befragung, so gab Verheyen zur Kenntnis, könnten sich die Gemeinden kommunale Grenzen auch als Rahmen für pastorale Räume vorstellen. Aber es gäbe große territoriale Unterschiede. Die Region Krefeld etwa sei mit der Eifel nicht vergleichbar. Außerdem gäbe es den Wunsch, dass jene, die die letzte Fusion vollständig vollzogen haben, außen vor bleiben sollten. Nur unter Berücksichtigung dieser Eckpunkte sei auch das Ehrenamt zu retten. Der Raum müsse überschaubar bleiben.

Die rechtliche und strukturelle Einordnung übernahm Ökonom Martin Tölle: „Der Pastorale Raum soll in Zukunft als ein wesentliches Steuerungselement dienen.“ Das bedeutet, dass die Mittelzuweisungen des Bistums an den Pastoralen Raum fließen und dort auch ein Wirtschaftskonzept erstellt und verantwortet werden wird. Personalverträge werden auf dieser Ebene angesiedelt und sind die überfangende Einheit für die Körperschaften öffentlichen Rechts, also Kirchengemeinden und „Orte von Kirche“. Als formuliertes Ziel gilt, dass der Pastorale Raum Vernetzung und Förderung ermöglichen soll. 

Bischof Helmut Dieser gibt in seinem Schlusswort der Hoffnung einer Lösung „mit Rom“ Ausdruck. (c) Dorothée Schenk
Bischof Helmut Dieser gibt in seinem Schlusswort der Hoffnung einer Lösung „mit Rom“ Ausdruck.

Klärungsbedarf gab es zu Begrifflichkeit und zum inhaltlichen Konzept der „Orte von Kirchen“, die Andrea Kett als Abteilungsleiterin „Pastoral in Lebensräumen“ vorstellte. Der wenig konkrete Begriff beinhaltet bereits Bekanntes wie Krankenbesuchsdienste und Chöre, aber auch bislang unberücksichtigte Gruppen, in denen sich die sprichwörtlichen „zwei oder drei“ zum Glaubenteilen treffen. All diese Gruppierungen sollen sich melden und eine Bestätigung erfahren, damit sie gegebenenfalls personell und finanziell ausgestattet werden können und die Teilnehmenden versichert sind. „Zu umständlich“ und „zu bürokratisch“ finden das einige, andererseits ein bekanntes Verfahren, denn auch bislang müssen sich Gruppen, die sich der Kirche zugehörig fühlen, in den Gemeinden „anmelden“.

„Ich sehe uns als Pioniere in spannenden Umbruchzeiten“, formulierte es Generalvikar Andreas Frick. „Unsere Epoche kann zu einer Hoffnungsepoche werden und nicht, was der äußere Anschein vorlaut sagt, einer Epoche, die in den Untergang oder in die Bedeutungslosigkeit der Kirche führt“, sagte Bischof Helmut Dieser. Wie der begonnene Synodale Weg weitergegangen wird, ist dabei noch fraglich. „Rom“ hat Einspruch eingelegt gegen den Synodalen Rat, der an diesem Wochenende bei der Synodalversammlung in Frankfurt beschlossen werden sollte. Bischof Dieser betonte, dass die Bischöfe den Veränderungsprozess „in der Gemeinschaft mit der Weltkirche unter der Leitung des Papstes“ halten wollen. „Niemand wünscht einen Sonderweg in Deutschland.“ Die Lösungssuche auf Bundesebene wird allerdings Konsequenzen für den Prozess in Aachen haben.