Vom Kirchenasyl ins Leben

15 Monate unterstützten freiwillige Pfarrhelfer eine Syrerin und deren drei Töchter im Strempter Pfarrhaus

Agnes Peters und Gerda Schilles (v.l.) auf der Schwelle zum Strempter Pfarrhaus. (c) Manfred Lang/pp/Agentur Profipress
Agnes Peters und Gerda Schilles (v.l.) auf der Schwelle zum Strempter Pfarrhaus.
Datum:
18. Juni 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 25/2019 | Manfred Lang

Nach 15-monatigem Kirchenasyl verließ Familie T. aus Syrien das katholische Pfarrheim Strempt. Dort war sie Ende März 2018 vom kirchlichen Flüchtlingsbeauftragten Andreas Funke und dem Mechernicher Pfarrer und damaligen Eifeldekan Erik Pühringer untergebracht worden.

Der alleinerziehenden Mutter Damaris (alle Namen geändert) und ihren Töchtern Olaya (12), Saida (11) und Rana (8) drohte damals die Abschiebung nach Kroatien, weil sie über dieses EU-Land eingereist waren. Doch dort war die jüngste Tochter in einem Lager missbraucht worden – dorthin wollten sie keinesfalls zurück. Mittlerweile herrscht nun eine andere Rechtssituation, erklärt Gerda Schilles, die Koordinatorin des Kirchengemeindeverbandes St. Barbara Mechernich. Die Familie bekomme jetzt ein ordentliches Asylverfahren und Bleiberecht in Deutschland, solange in Syrien Bürgerkrieg und unsichere Verhältnisse herrschten. Zwischenzeitlich hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Familie T. allerdings als „untergetaucht“ klassifiziert und gesucht, obwohl man ganz offiziell mitgeteilt hatte, dass sich die 45-jährige Damaris und ihre drei Töchter im Kirchenasyl befinden. Ehrenamtliche der Pfarrei St. Johannes Baptist und andere engagierte Leute aus dem Stadtgebiet Mechernich kümmerten sich während der 15 Monate rührend um die Familie.

Eine davon ist Agnes Peters, eine der Pfarrsekretärinnen: „Wir waren insgesamt zu zehn Helfern. Wir haben eingekauft und alles erledigt. Drei Lehrerinnen haben in Wechselschicht Privatunterricht gegeben und den Mädchen Deutsch beigebracht.“ Helmut Vogelsberg und seine Mannschaft vom Pfarrcaritas-Möbellager Vussem kümmerten sich um die laufende Ausstattung der Pfarrhausräumlichkeiten für Damaris und ihre Töchter. Ärzte aller Disziplinen und ein Röntgeninstitut ließen sich finden, um unentgeltlich medizinische Hilfe zu leisten. Der türkische Laden in der Turmhofstraße habe immer Lebensmittel oder was Leckeres für die Mädchen umsonst mit eingepackt, erzählt Agnes Peters. „Es war einfach klasse, auf wie viel christliche Nächstenliebe wir gestoßen sind“, sagt Gerda Schilles.

Auch wenn Familie T. aus Syrien selbst und beispielsweise die türkischen Ladenbesitzer dem Islam angehörten: „Über Konfessionen und Religionen wurde wenig gesprochen.“ Mitunter waren Damaris, Olaya, Saida und Rana auch im katholischen Samstagsabends-Gottesdienst in St. Rochus Strempt zu sehen … Pfarrer Erik Pühringer ist zum einen dankbar für die Bereitschaft des Kirchenvorstandes, Kirchenasyl zu gewähren: „Die Gelegenheit war günstig, weil die Wohnung, die eigentlich vermietet werden sollte, noch leer stand.“ Andererseits war er glücklich, dass sich ausreichend Freiwillige bereitfanden, die Familie nicht allein zu lassen und nach Kräften zu unterstützen. Neben Agnes Peters und Gerda Schilles waren das hauptsächlich Beate Nowotny, Edda Wilhelm und Steffi Schaefer-Gröb, aber auch eine Handvoll weiterer engagierter Menschen.

 

Die Zeit der Isolation und Kontaktarmut ist endlich vorbei

Der Pfarrer: „Ich freue mich unheimlich über alle Hilfe, die uns und Familie T. zugekommen ist – auch von außerhalb der Pfarrei, oft von Seiten, aus denen wir es gar nicht erwartet hatten.“ Mutter und Töchter werden heute erst einmal ins vom Roten Kreuz geführte Übergangslager Vogelsang gebracht. Gerda Schilles: „Von dort werden sie dann als geduldete Flüchtlinge mit Bleiberecht in eine ganz normale Mietwohnung irgendwo in Deutschland ziehen.“ Damit sei auch die Zeit der Isolation und Kontaktarmut vorbei, erläutert Agnes Peters: „Die Mädchen durften das Kirchengelände in Strempt ja nicht verlassen, ein Glück, dass wir ein bisschen Garten mit Wiese und einen gepflasterten Vorplatz zum Spielen haben.“

Als „normale Menschen“ und Mieter werden Damaris‘ Töchter nun bald zur Schule gehen und hoffentlich regen Kontakt zu anderen Kindern haben können, sagt Gerda Schilles: „Es wird alles besser jetzt.“ Erik Pühringer: „Ich kann wirklich sagen, ich freue mich riesig, dass Damaris, Olaya, Saida und Rana T. nach einem Jahr und drei Monaten wieder frei sind. Das wäre nicht nötig gewesen, sie so lange im Asyl zu lassen!“ Es bleibe der bittere Nachgeschmack, dass die alleinerziehende Mutter und ihre drei Töchter im Endeffekt ein Jahr länger im Kirchenasyl unter Hausarrest standen, als das bei mehr Entgegenkommen der Behörden nötig gewesen wäre. Pfarrer Pühringer: „Wir werden das rechtlich prüfen lassen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das einwandfrei war.“

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