Seltener Einblick

Die Katakomben unter St. Dionysius waren lange vergessen

Insgesamt 72 Grabkammern, jeweils drei übereinander in 12 Reihen, befinden sich unter der Kirche St. Dionysius, erklärt Pfarrer David Grüntjens. (c) Dirk Jochmann
Insgesamt 72 Grabkammern, jeweils drei übereinander in 12 Reihen, befinden sich unter der Kirche St. Dionysius, erklärt Pfarrer David Grüntjens.
Datum:
29. Juni 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 26/2022 | Chrismie Fehrmann

Die beiden großen Metallgitter im Mittelgang von Krefelds Stadtpfarrkirche St. Dionysius knirschen laut beim Öffnen. Das Geräusch hallt durch den großen Raum. Vierzehn Stufen reichen von dort hinab in das Tonnengewölbe, das sich unter dem Altar befindet. Es diente einst als Begräbnisstätte. Es ist ein Bereich, der nur selten zugänglich ist. Ab und zu gibt es Führungen von diesem Keller ausgehend bis hoch hinaus, dorthin, wo die Glocken hängen.

Schwach zu lesen ist der Name des Verstorbenen. Die Katakomben wurden Mitte des 18. Jahrhunderts verschlossen, dann gerieten sie in Vergessenheit. (c) Dirk Jochmann
Schwach zu lesen ist der Name des Verstorbenen. Die Katakomben wurden Mitte des 18. Jahrhunderts verschlossen, dann gerieten sie in Vergessenheit.

Besucher müssen in Höhe des Kirchenbodens die Köpfe einziehen. Die Menschen, die dort früher hinuntergingen, waren kleiner. Wände und Decke der Katakomben sind aus Ziegeln gemauert. Sie stammen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Schmale Gänge und Seitenräume bilden mit dem Tonnengewölbe eine Kreuzform. Es besteht ein weiterer ziemlich niedriger Ausgang zur Breiten Straße hin. Es riecht dort unten ein wenig muffig.
„Zuerst existierte hier der Friedhof für ganz normale Leute“, berichtet Pfarrer David Grüntjens aus der Geschichte. „Als darüber mit dem Kirchenbau begonnen wurde, entstanden die Grabnischen.“ Sie sind zugemauert und befinden sich in drei Reihen übereinander. Es sind zwölf in jeder Reihe, so dass im Ganzen 72 Grabkammern vorhanden sind.

Nur noch schwach sind die Inschriften auf den halbrunden Platten zu lesen und dementsprechend schwer zu entziffern. Mit diesen Platten wurden die Grabnischen verschlossen. „Am besten ist noch die des neunzehnjährigen Johannes Heinrich Busch zu lesen: ,Er starb im Jahre 1755 am 5. März‘. Als erste fand die Witwe Gertrud Bürsten aus dem ,halben Mond‘, der heutigen Königstraße, am 22. April 1753 ihre letzte Ruhestätte“, sagt Grüntjens. Ansonsten sind nur noch Fragmente zu erkennen, meistens Initialen und eingeritzte Kreuze.

Prior von Meer hat den Katakomben 1753 die kirchliche Weihe erteilt. Ab 1757 diente der Totenkeller nur noch als Begräbnisstätte für die Geistlichkeit und den Kirchenvorstand. Die anderen Gemeindemitglieder wurden auf dem dann fertigen Friedhof auf dem Dionysiusplatz beerdigt. „Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der Raum genutzt; dann vermauert und vergessen.“

Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass es einen Gang aus den Katakomben bis zum früheren Kloster gab und gibt, dorthin, wo sich heute der Schwanenmarkt befindet. Die Menschen sollen dort im Zweiten Weltkrieg Gegenstände versteckt haben. Wären 1907 nicht Ausschachtungsarbeiten für eine neue Heizung notwendig gewesen, wer weiß, ob diese Katakomben überhaupt wiederentdeckt worden wären. „Es flößte den Arbeitern keinen geringen Schrecken ein, als sie auf einmal ein Geräusch vernahmen. Es rührte von den Totengebeinen her, die, als sie der frischen Luft ausgesetzt waren, in sich zusammenfielen und nur ein armseliges Häuflein Staub und Knochenreste übrig blieb.“

Das Gotteshaus St. Dionysius hält noch weitere Schätze parat, die sich nicht im Verborgenen befinden. So stammt der Korpus Christi am Hauptkreuz über dem Altar aus dem 14. Jahrhundert und ist das älteste Stück der Kirche. Der Taufstein datiert aus 1745 und stammt aus der nahegelegenen Klosterkapelle.

Die klassizistische Hallenkirche mit den 20 Säulen selbst wurde 1756 fertig und weist einige Besonderheiten auf: Sie ist nicht wie andere Gotteshäuser nach Osten gerichtet, zum Sonnenaufgang hin, sondern nach Westen, weil sie so besser zugänglich war. Demnach befand sich die Kanzel links, nicht rechts, und auch die Kreuzwegstationen sind „andersherum“ angebracht.