Prophetin, Zeugin, Mutmacherin

Sonst erhält sie eher Prügel als eine Würdigung. Christiane Florin mit Maria-Grönefeld-Preis ausgezeichnet

Der große Moment: Aus den Händen des Kuratoriumsvorsitzenden Manfred Körber erhält Christiane Florin den Maria-Grönefeld-Preis. Sie bekräftigte, dass sie diese Würdigung stärke. Ansonsten erfahre sie eher Gegenwind und Anfeindungen in ihrem Einsatz für eine geschlechtergerechte Kirche. (c) Thomas Hohenschue
Der große Moment: Aus den Händen des Kuratoriumsvorsitzenden Manfred Körber erhält Christiane Florin den Maria-Grönefeld-Preis. Sie bekräftigte, dass sie diese Würdigung stärke. Ansonsten erfahre sie eher Gegenwind und Anfeindungen in ihrem Einsatz für eine geschlechtergerechte Kirche.
Datum:
12. Nov. 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 46/2019 | Thomas Hohenschue

Hejo Schenkelberg am Akkordeon: ein feinsinniger, hintergründiger Begleiter. Die Stücke, die er spielt, erzählen vom Leben. Und sie erzählen von den Kämpfen kleiner Leute um ihre Würde, um ihre Rechte. Das passt perfekt zum Nell-Breuning-Haus, wo es seit der Gründung durch Maria Grönefeld um engagierte Arbeiterbildung geht. Nun steht der Musiker da, irgendwo an der Seite, mitreißende Reden sind gehalten worden, die Gäste gehen lautstark zum gemütlichen Teil über. Und er steuert, unauffällig, am Rande des Geschehens seine persönliche Hommage an die Frau des Abends bei. Er stimmt an: „Die Gedanken sind frei.“   

Ein kurzer Blickkontakt genügt, um zu erkennen: Dieses widerständige Lied webt sich nicht zufällig in den Klangteppich angeregter Gespräche ein. Der Musiker gibt damit den Schlussakkord für einen turbulenten Abend, der im Zeichen der Freiheit stand: des freien Wortes, der freien Wahl und der freien Frau. Im Zentrum der Aufmerksamkeit: die Kölner Journalistin Christiane Florin, die seit zwei Jahren mit ihrem Buch „Weiberaufstand“ für Furore sorgt und den Zorn vieler Bischöfe, Kleriker und auch Gläubigen auf sich zieht. Unermüdlich reist sie durchs Land, liest aus ihrem Buch, diskutiert und debattiert mit Freund und Feind, wie im Brennglas verdichtet, was es bedeutet, dass die Kirche als eine der letzten Organisationen in Deutschland den Artikel 3 des Grundgesetzes nicht einlöst, geschweige denn aus Überzeugung lebt, wo es heißt: „Frauen und Männer sind gleichberechtigt.“ 

Reichlich Gegenwind erfährt sie wegen ihrer Thesen, die würzig formuliert sind und den Widerstand derer wecken, die gerne alles so beibehalten möchten, wie es vermeintlich schon immer war. Florin widerspricht, widerlegt, widersteht. Manchmal ist es schon mühsam, sich dieser Wucht der Mächtigen auszusetzen,  gesteht sie an diesem Abend im Nell-Breuning-Haus ein. Sie hat einiges auszuhalten. Und bleibt doch dabei. Für diese Beharrlichkeit in ihrem Eintreten für eine geschlechtergerechte Kirche hat sie nun den Maria-Grönefeld-Preis erhalten. Das hat sie sehr berührt, bekennt sie, und bestärkt sie in ihrem Einsatz.

Wer ist Maria Grönefeld? Diese Frage hat sich die Preisträgerin gestellt. Und auch im Bistum Aachen und im katholischen Deutschland verblasst die Erinnerung an die streitbare Arbeiterin, Pädagogin und Wissenschaftlerin, die ebenfalls unerbittlich und hartnäckig für die Rechte und die Würde benachteiligter Bevölkerungsgruppen eintrat. Christiane Florin hat sich die Biografie der verstorbenen Gründerin des Nell-Breuning-Hauses näher angeschaut und viele Verbindungen zu ihrer eigenen Lebensgeschichte entdeckt. Diese führen direkt zu dieser Würdigung an diesem Abend. Die Journalistin ist selbst ein Arbeiterkind. Das wird sie nicht vergessen, wiederholt sie mehrfach. Sie hat eine akademische Laufbahn eingeschlagen, mit dem Rüstzeug, das sie in der Familie erhielt. Frauen haben, so ihre Erfahrung, durchaus die Wahl, aus scheinbar vorgegebenen Rollenmustern auszubrechen und ihren eigenen Weg zu gehen. Das gilt sowohl gesamtgesellschaftlich als auch für den Raum der katholischen Kirche. Eine Ordensfrau habe ihr als Schülerin geraten: „Verlasst Euch bloß nicht auf einen Kerl.“ Diese Grundweisheit gelte auch für die Situation der Kirche. Die Verachtung der Frauen, die sich in den von Männern gesetzten und von Männern erbittert verteidigten Regeln spiegele, wachse sich nicht von alleine heraus.

 

Gott ist mit Jesus Mensch geworden

Dass Christiane Florin mit ihrem beherzten Kampf gegen eine männerbündisch verfasste Kirche nicht alleine ist, macht Maria Mesrian von der Bewegung „Maria 2.0“ deutlich. Die Journalistin habe durch ihr Buch den Boden für die Initiative Münsteraner Frauen bereitet, die sich inzwischen bundesweit und international vernetze. Florins regelrecht prophetischer Einsatz ermutige viele Frauen, sagt Mesrian. Laudator Thomas Schüller, Münsteraner Professor, setzt in kompakter, knackiger Sprache ein Stakkato an Pointen hinzu, wo man sich ständig neu entscheiden muss, ob man zuerst lachen möchte, über Subtexte nachdenken oder sich über Aufgedecktes ärgern will. 

Er würdigt Christiane Florin. Sie bestärke Frauen in der katholischen Kirche darin, sich nicht mehr mit falschen Selbstverständlichkeiten abzugeben, sondern ihre Rechte einzufordern. Die Preisträgerin sei durch ihren Einsatz für die gleiche Würde und Rechte der Menschen eine glaubwürdige und mutige Zeugin des Evangeliums. Man spüre: Die Zeit sei vorbei, wo Männer Frauen einfach gnädig und gönnerhaft einen Platz am Katzentisch zuweisen könnten. Immer mehr Menschen würden erkennen: Gott ist mit Jesus primär Mensch, nicht Mann geworden. Und Männer und Frauen sind gleichermaßen Ebenbild Gottes.

Die Verleihung des Maria-Grönefeld-Preises

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