Normalität in Nüchternheit

Der erste öffentliche Gottesdienst nach dem Lockdown fühlt sich in St. Gangolf Heinsberg fremd an

25 Frauen und Männer feiern im ersten Gottesdienst nach dem Lockdown wieder zusammen. Die Plätze sind markiert. (c) Garnet Manecke
25 Frauen und Männer feiern im ersten Gottesdienst nach dem Lockdown wieder zusammen. Die Plätze sind markiert.
Datum:
12. Mai 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 20/2020 | Garnet Manecke

Gottesdienst feiern nach den Regeln von Corona: In St. Gangolf Heinsberg kamen  25 Gläubige zum öffentlichen Gottesdienst nach dem Lockdown. Geprägt von Abstand und Desinfektionsmitteln war die Feier zwar wesentlich ruhiger, als man es gewohnt ist, aber dennoch berührend.

Schon am Fuß der Treppe wird man auf den Abstand hingewiesen: Mit rot-weißen Klebebändern sind die Abstände von zwei Metern auf den Stufen markiert, ein Schild erinnert nochmals explizit daran, Abstand zu halten. Im Kirchenraum von St. Gangolf in Heinsberg ist das linke Seitenschiff mit rotem Samtband abgesperrt und statt dem Weihwasserbecken gilt der erste Handgriff der Gottesdienstbesucher dem Spender für Desinfektionsmittel. In welcher Kirchenbank die maskierten Besucher Platz nehmen dürfen, ist vorgegeben. Jede zweite Bank ist mit einer Kordel abgesperrt, auf den Plätzen liegen Textblätter. Die ganze Atmosphäre ist befremdlich.

„Das war schön und hat gut getan“, wird eine Gottesdienstbesucherin nach der Messe trotz der Umstände sagen. In der vergangenen Stunde hat sie nicht gesungen – wie auch die anderen 24 Frauen und Männer in der Kirche nicht. Die große Orgel blieb stumm, der Klang der kleinen Orgel am Kopf des Seitenschiffs erfüllte den Raum, eine Sängerin hat für die Gemeinde gesungen.  „Euer Herz sei ohne Angst“, zitiert Pfarrer Markus Bruns mit seinen ersten Worten an die Gemeinde aus dem Johannes-Evangelium. „Das trifft mich mitten ins Herz“, bekennt er und spricht über die Ängste, die nun die Menschen bewegen: die Angst um die Gesundheit, die im Kreis Heinsberg besonders präsent ist, die Angst um den Arbeitsplatz oder das eigene Unternehmen, aber auch die Angst vor einer zweiten Welle von Infektionen. Die neue Normalität ist geprägt von Distanz. Das wird spätestens klar, als Bruns an den kleinen Tisch links vom Altar tritt, sich die Hände desinfiziert, Schutzhandschuhe anzieht und die Gesichtsmaske aufsetzt. So tritt er vor die Gemeinde, um die Hostie auszugeben. Eine Betbank wahrt den Abstand. Viele Gottesdienstbesucher ziehen zum Empfang der Kommunion ebenfalls einen Mund-Nasen-Schutz auf. Versunken wollen sie die gerade entgegengenommene Hostie in den Mund stecken – ohne an die Barriere in ihrem Gesicht zu denken. Etwas irritiert lupfen sie die Maske, man sieht, dass noch die Übung fehlt. Die neue Normalität ist noch nicht eingespielt.

 

Beim Rausgehen fehlt der Klang der  großen Orgel, der die Besucher begleitet

Markus Bruns ist froh darüber, dass das gemeinsame Feiern wieder möglich ist. Auch wenn sich die Gottesdienstbesucher vorab im Pfarrbüro unter Angabe ihrer Kontaktdaten anmelden müssen. „Es ist etwas anderes, ob man einer Gemeinde gegenüber steht und in die Augen der Menschen schaut oder nur in eine Kamera“, sagt er. Dass die Gemeinde nicht zusammen singen soll, sei aber nach wie vor schmerzlich. Dem Gottesdienst nimmt das die Festlichkeit. Der Klang der großen Orgel fehlt, wenn die Gläubigen die Kirche verlassen. Dass Ordner den Weg der Besucher aus dem Gotteshaus koordinieren und niemand draußen stehen bleibt, um noch ein paar Worte miteinander zu wechseln, unterstreicht die neue Nüchternheit. Glücklich ist darüber niemand. „Aber im Moment ist es so, damit müssen wir leben“, sagt Bruns. Und am Ende siegt dann vielleicht auch der Pragmatismus. Solange die Kirchen offen sind, ist es zumindest ein Trost, dass man wieder zusammenkommen kann.

Gottesdienst in St. Gangolf Heinsberg

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