Miteinander ins Gespräch kommen

Ein neues Integrationskonzept in Krefeld ist auf dem Weg – Kirchengemeinden sind mit im Boot

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Datum:
6. Okt. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 40/2021 | Ann-Katrin Roscheck

Mit der Integrationskonferenz als Auftakt plant die Stadt Krefeld unter Beteiligung diverser gesellschaftlicher Akteure das zweite Krefelder Integrationskonzept.

Integrationsbeauftragte Dr. Tagrid Yousef (li) erarbeitet mit ihren Mitarbeitenden, u.a. Maren Lamers und Paul-Marius Brand, das neue Krefelder Integrationskonzept. (c) Ann-Katrin Roscheck
Integrationsbeauftragte Dr. Tagrid Yousef (li) erarbeitet mit ihren Mitarbeitenden, u.a. Maren Lamers und Paul-Marius Brand, das neue Krefelder Integrationskonzept.

Als Tagrid Yousef im Jahr 2014 in das Krefelder Behnisch-Haus einzog, war gerade die Struktur innerhalb der Stadtverwaltung verändert worden. Aus der „Regionalen Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien“ (RAA) wurde mit einem großen bürokratischen Aufwand ein kommunales Integrationszentrum. Für die Stadt Krefeld, die schon immer für ihre Vielfalt bekannt war, galt das als wegweisender Schritt. Wenig später wurde Yousef zur offiziellen Integrationsbeauftragten ernannt, und im Jahr 2016 konnte zum ersten Mal mit Planung aus den eigenen Reihen eine Integrationskonferenz in der Stadt durchgeführt werden, aus deren Ergebnissen das erste Integrationskonzept der Stadt Krefeld entstand.

Von 2016 bis 2019 sollte dieses in Krefeld umgesetzt werden. Nun wurde der Prozess erneut angestoßen. Galt die zweite, eigenständig durchgeführte Integrationskonferenz der Stadt Krefeld unter dem Slogan „Wir l(i)eben Vielfalt – in Krefeld!“ im Juni als Auftaktveranstaltung, werden die Ergebnisse nun ausgewertet und in kleinen Teams Ziele und Maßnahmen bestimmt und gemeinsam mit den Akteuren Verantwortlichkeiten im Rahmen eines neuen Integrationskonzeptes festgelegt. Der Unterschied zum ersten Prozess: Bei der ersten Integrationskonferenz vor fünf Jahren wurden ausschließlich eingeladene Akteure aus der Politik, der Verwaltung, aus Kirchen und multireligiösen Vereinen sowie aus der Wirtschaft zum Gespräch gebeten; nun aber öffneten die Verantwortlichen die Integrationskonferenz im Juni bewusst auch für alle Interessierten aus der Stadtgesellschaft.

„Integration bedeutet, dass wir Menschen einlassen, aber ein Nebeneinander existiert; Inklusion heißt aber, dass wir gemeinschaftlich eine Form des Zusammenlebens entwickeln“, erklärt Tagrid Yousef. „Bei Inklusion sollte jeder Krefelder mitsprechen können.“ Im Rahmen von sechs Workshops sind die Teilnehmenden ins Gespräch gekommen. Diese sechs Themen werden zukünftig auch die Kernbereiche des neuen Integrationskonzeptes bilden. Neben „Fördern und Fordern: ein Blick ins Bildungssystem“, „Gesund bleiben – gesund werden: Vor- und Fürsorge im Gesundheitsbereich“ oder „Soziale und kulturelle Integration: gesellschaftliches Zusammenleben“ stehen auch die Themen „Antirassismus: interkulturelle Sensibilisierung der Gesellschaft“ sowie „Stadtentwicklung: wohnen in lebenswerten Quartieren“ auf der Liste. 

Niederschwellige Hilfestellen schaffen,  an die Betroffene sich wenden können

Maren Lamers aus dem Fachbereich für Migration und Integration leitete zum Beispiel gemeinsam mit einer Kollegin den Workshop zum Thema Antirassismus und führt auch zukünftig die daraus entstandenen Ansätze so weit fort, dass sie als konkrete Maßnahmen im Integrationskonzept der Stadt aufgelistet werden können. Schon vor dem Workshop nahm die Kulturpädagogin wahr, dass Rassismus in Deutschland immer mehr zum Thema wird. „Eigentlich wollten wir den Workshop mit einem kleinen Vortrag eröffnen, aber wir kamen schnell mit den Teilnehmern ins Gespräch, und der Einstieg erübrigte sich“, schildert Lamers.

„Die einheitliche Meinung: Es gibt keine rassismusfreien Räume mehr in der Gesellschaft.“ Egal, ob bei der Schulanmeldung, am Arbeitsplatz oder bei Freizeitaktivitäten – immer wieder würden Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Religionszugehörigkeit, ihrer Sprache oder einfach, weil sie anders lebten als der Durchschnitt, angefeindet. „Wir dürfen aus Rassismus keinen rosa Elefanten machen, der irgendwo im Raum steht, sondern wir müssen niederschwellige Hilfestellen schaffen, an die sich Betroffene wenden können“, erklärt Lamers weiter.

Bei der Diskussion im Rahmen der Integrationskonferenz wurde immer wieder der Wunsch nach einer unabhängigen Antidiskriminierungsstelle laut. Darüber wird die Politik zukünftig entscheiden. „Wir aber können im Integrationskonzept regeln, wie wir zum Beispiel über die SV-Lehrer Ansprechpartner an Schulen schaffen können, die dann entsprechend an die Antidiskriminierungsstelle weiterleiten“, erklärt die Kulturpädagogin. 

Orte der Begegnung mit Bänken und  Spielplätzen schaffen

Auch innerstadtisch mussten mehr Begegnungsraume geschaffen werden, sagen die Teilneher der Integrationskonferenz. (c) www.pixabay.com
Auch innerstadtisch mussten mehr Begegnungsraume geschaffen werden, sagen die Teilneher der Integrationskonferenz.

Auch Paul-Marius Brand als Islamwissenschaftler und stellvertretender Leiter des kommunalen Integrationszentrums leitete einen Workshop. Im Rahmen des Themas „Stadtentwicklung: Wohnen in lebenswerten Quartieren“ setzte er sich mit Akteuren aus kirchlichen Verbänden, der Verwaltung und der Wirtschaft, aber auch mit Vertretern aus Nachbarschaften virtuell zusammen. „Mit Quartieren meinen wir soziale Räume“, erklärt Brand. „Diese Räume sind geprägt durch Identifikationspunkte.

Das können zum Beispiel Spielplätze, Kirchen oder auch die Moschee sein.“ Die Herausforderung in der Quartiersarbeit, so haben es die Teilnehmer herausgearbeitet, sei immer, Zugezogene, aber auch Menschen mit anderen sozialen Bedürfnissen in diese Quartiere zu integrieren. „Damit wir das schaffen können, müssen die Menschen in den Quartieren in den Dialog gehen“, erklärt der Islamwissenschaftler. „Sie müssen überhaupt erstmal ihre Bedürfnisse untereinander kennenlernen und verstehen, warum der Nachbar sich zum Beispiel immer mit seinen Freunden vor der Tür trifft, um sich auszutauschen, anstatt in eine Lokalität zu gehen, oder aber was die einzelnen Religionen überhaupt für Traditionen und Werte mitbringen.“

Im Rahmen des Integrationskonzeptes könnten so zum Beispiel Maßnahmen und Ziele entwickelt werden, die Treffpunkte und Möglichkeiten zum gemeinsamen Niederlassen innerhalb der Quartiere schaffen. Brand stellt sich vor, dass beispielsweise innerstädtisch Parkplätze zu Begegnungsräumen unter freiem Himmel umgenutzt werden könnten. „Andere Großstädte sind da kreativ. Bänke oder Spielplätze tragen zum Quartiersleben bei“, erzählt er. „Hier treten Menschen in den Dialog.“

Auch denkbar sei für die Teilnehmer der Diskussion eine Quartiers-Task-Force, die sich aus Nachbarn, aus dem Ordnungsamt und zum Beispiel Migrantenorganisationen zusammensetzt. „Hier geht es nicht darum, ordnungspolitisch zu wirken, sondern mit Menschen zu sprechen“, erklärt Brand. „Am Ende zählt, dass wir uns gegenseitig verstehen, um mit den Bedürfnissen der eigenen Nachbarn besser leben zu können.“
Das neue Integrationskonzept der Stadt Krefeld soll noch in diesem Jahr vorgestellt werden.