Mit dem Herzen bei ihnen

Zwei Kunstprojekte drücken Solidarität mit Menschen ohne Arbeit und allen, die es schwer haben, aus

In der schwierigen Zeit der Pandemie stehen die Frauen – auf dem Teppich und in der Realität – zusammen. (c) Andrea Thomas
In der schwierigen Zeit der Pandemie stehen die Frauen – auf dem Teppich und in der Realität – zusammen.
Datum:
5. Mai 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 18/2021 | Andrea Thomas

Menschen ohne Arbeit werden viel zu selten über das definiert, was sie schaffen. Anlässlich des Soli-Kollekten-Sonntags haben Teilnehmer aus den Werkstätten des Qualifizierungsprojektes Spectrum gezeigt, wieviel Schaffenskraft und Schaffensfreude in ihnen steckt. Die Ergebnisse sind zu sehen in der Aachener Citykirche und in St. Petrus in Baesweiler.

Der große Wandteppich an der Längsseite des Kirchenschiffs der Aachener Citykirche fällt sofort ins Auge. Zu sehen sind elf überlebensgroße Frauenfiguren vor einer Bergkulisse, pandemiegemäß mit Mund-Nasen-Schutz. Die Kunstaktion, die am Wochenende der Solidaritätskollekte ihre Premiere hatte, ist in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Vera Sous entstanden. „Über die große Kunstaktion zu den Drachenzähnen im vergangenen Jahr hatte ich den Kontakt zu ihr, und sie konnte sich gut vorstellen, etwas mit unseren Teilnehmerinnen zu machen“, berichtet Monika von Bernuth, die bei „Spectrum“ verantwortlich für die Kreativprojekte ist.

Da diese Zusammenarbeit unter anderem auch durch die Förderung über den Soli-Fonds des Bistums möglich geworden ist, hätten sie den Gedanken gehabt, dies mit einer Aktion zur Solidaritätskollekte zum Ausdruck zu bringen.

Gemeinsam mit langzeitarbeitslosen Frauen, die bei Spectrum eine Beschäftigung und Tagesstruktur finden, hat Vera Sous die Idee für den fünf mal drei Meter großen Patchwork-Teppich für die Citykirche entwickelt und ihn gemeinsam mit ihnen gestaltet. Darauf stellen die Frauen sich selbst dar, um ihre Lebenssituationen sichtbar zu machen. Zu sehen sind sie als Silhoutten, bunt und fantasievoll gekleidet, so wie jede von ihnen sich sieht und sich gefällt. 


Vorbote auf den Corona-Gedenkort


Eine zentrale Rolle spielt bei der Aktion das „Herz“. Jede der Frauenfiguren hat ein realistisch dargestelltes Herz auf der Brust. Es soll ausdrücken: „Unser Herz schlägt für diese Arbeit, die wir hier tun; wir halten zusammen und gehen gemeinsam auch beschwerliche Wege“. Auf dem Teppich zeigen die Frauen ihre Verbundenheit, indem sie eng zusammenstehen – in diesen Tagen selbstverständlich mit Mund-Nasen-Schutz. Wie beschwerlich die Wege, die sie gehen, sein können, deutet die Bergkulisse im Hintergrund an.

„Sie ist gleichzeitig Vorbote und Überleitung zu einem Folgeprojekt, wenn man so will“, erläutert Monika von Bernuth. Vera Sous und die Qualifizierungsstätten des Rheinischen Vereins haben die Berg-Idee nämlich weiterentwickelt und sich damit an der Ausschreibung zur Gestaltung eines Corona-Gedenk-Ortes für Aachen in der Citykirche beteiligt. Ihre Kunstinstallation „Das Corona-Massiv – von Höhen und Tiefen“ hat gewonnen, und entsteht derzeit gemeinsam mit der Frauengruppe, die auch den Teppich gestaltet hat, im Atelier von Spectrum in Aachen. Der Gedenkort soll als temporäre Installation unter der Orgelempore seinen Platz finden.


Jede Blüte hat in der Natur eine Aufgabe

Die diesjährige Nähe der Solidaritätskollekte für Menschen ohne Arbeit im Bistum Aachen zum 1. Mai hat Monika von Bernuth zu einer weiteren Kunst-Aktion „mit Herz“ inspiriert. „Eine der hier in der Region verwurzelten Traditionen ist es, jemandem, der einem besonders am Herzen liegt, einen Maibaum oder ein Maiherz zu schenken. Diese Symbolik wollte ich aufgreifen“, erklärt sie. So sei die Idee entstanden, mit Teilnehmern aus der Kreativwerkstatt in Baesweiler (plus einigen weiteren Teilnehmern von den Spectrum-Standorten Aachen und Eschweiler-Weisweiler) ein besonderes Maiherz zu gestalten. 
Es besteht aus hunderten bunter Blüten aus Krepppapier – jede handgefertigt und ein Einzelstück – die zusammen eine herzförmige Blumenwiese bilden. Zur Kollekte hatte es einen Ehrenplatz vor dem Altar der Pfarrkirche St. Petrus in Baesweiler. Ein farbenfroher Hingucker, gerade auch, weil der Gottesdienst an dem Sonntag wegen der hohen Inzidenzwerte nur als Streamgottesdienst stattfinden konnte.

So individuell wie jede Blüte, so unterschiedlich seien auch die Schicksale von langzeitarbeitslosen Menschen, beschreibt es Monika von Bernuth. Und doch habe in der Natur jede noch so kleine Blüte ihre Aufgabe und ihren Nutzen und trage zur Vielfalt bei. Sollte dies nicht auch für Menschen gelten, die vielleicht auf den ersten Blick keinen wirtschaftlichen Beitrag zur Gesellschaft leisten können? „Wir wollten mit der Aktion zeigen, dass wir mit dem Herzen bei den langzeitarbeitslosen Menschen sind, aber gerade jetzt in diesen Zeiten auch bei allen anderen, die von Ängsten und Nöten betroffen sind“, sagt sie. Das Herz solle von trüben Gedanken ablenken. Die Blumen dürfen daher auch geflückt und weiterverschenkt werden, an jemanden, der etwas Freude brauchen könne.

Der Wandteppich hängt noch bis zum 21. Mai in der Citykirche und kann danach ausgeliehen werden. Kontakt: Monika von Bernuth,  E-Mail: mvonbernuth@spectrum-aachen.de