Mehr zusammen lachen

Der Karneval zeigt, wie Humor dabei hilft, Vorurteile in Kirche und Gesellschaft abzubauen

Schwester  Esther empfing das Prinzen-Paar Prinz Axel (2.v.r.) und Prinz Niersius Thorsten (r.) mit Gefolge im Kloster Neuwerk. Die drei waren sich auf Anhieb sympathisch. (c) Detlef Ilgner
Schwester Esther empfing das Prinzen-Paar Prinz Axel (2.v.r.) und Prinz Niersius Thorsten (r.) mit Gefolge im Kloster Neuwerk. Die drei waren sich auf Anhieb sympathisch.
Datum:
18. Feb. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 08/2020 | Garnet Manecke

In den Gemeinden wird Karneval gefeiert. Das närrische Treiben beschränkt sich längst nicht mehr nur auf Sitzungen und Partys. In einigen Kirchen werden Karnevalsgottesdienste gefeiert. Seit 15 Jahren gehört er zur Tradition in St. Maria Empfängnis in Venn. In diesem Jahr gab es eine Besonderheit: Das amtierende Prinzen-Paar in Mönchengladbach sind zwei Männer. 

Zwei miteinander verheiratete Männer im Chorraum der Kirche: Der Karneval macht es möglich. (c) Garnet Manecke
Zwei miteinander verheiratete Männer im Chorraum der Kirche: Der Karneval macht es möglich.

Wenn die Predigt mit dem einen oder anderen Tusch begleitet wird, der Pastor für seine Worte Standing Ovations bekommt, zwischen den Kirchenbänken kleine Hühner und Elfen tanzen, bunte Luftschlangen auf dem Altar liegen und Karnevalslieder in Kölschen Tön erklingen, dann  ist der Karneval in die Kirche eingezogen. Zum 15. Mal wurde in St. Maria Empfängnis in Venn dieser spezielle Sonntagsgottesdienst gefeiert, zu dem viele Besucher  verkleidet kamen. Pfarrer Horst Straßburger zog zur Predigt die Narrenkappe auf. Er berichtete humorig, welch spezielle Botschaften das Glockengeläut in Kevelaer und Venn sendet. Wenn man genau hinhört, dann haben die Glocken ein seltsames Eigenleben. Man kann aus ihren Klängen praktisch hören, wie sie die Neuigkeiten aus dem Dorf weitergeben. Sogar die Glocke des altehrwürdigen Münsters mischt sich ein.

Was so humorig daher kommt und von den Besuchern mit vielen Lachern und Applaus honoriert wurde, findet in diesen Tagen vor einem ernsten Hintergrund statt. In der Kirche rumort es. Die Frauen gehen auf die Barrikaden, weil sie nicht mehr in der zweiten Reihe und als Menschen zweiter Klasse angesehen werden wollen. Sie fordern die Gleichstellung der Frauen mit allen Konsequenzen, wie dem Zugang zu Weiheämtern.  Mit ihren Forderungen stehen sie nicht alleine da. Auch andere fühlen sich von der Kirche nicht akzeptiert und sind es  de facto auch nicht. Frauen und Männer, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, zum Beispiel. Eine kirchliche Trauung wird ihnen verwehrt. Manchmal, wenn sie auf einen mutigen Pfarrer treffen, werden sie in einer feierlichen Zeremonie in einer Kirche gesegnet. Auf mehr dürfen sie nicht hoffen – unabhängig davon, wie tief ihr Glaube sein mag oder wie sehr sie sich in ihrer Kirche engagieren.

 

Das Bild des Prinzen-Paares hinter dem Altar setzt ein politisches Zeichen

In dieser Situation fällt es besonders auf, wenn in der ersten Reihe im Chorraum zwei Männer am Gottesdienst teilnehmen. Prinz Axel I. und Prinz Niersius Thorsten sind das erste gleichgeschlechtliche Prinzen-Paar im Rheinland. Axel Ladleif und Thorsten Neumann haben vor einem halben Jahr standesamtlich geheiratet, zehn Jahre, nachdem sie sich mit einer eingetragenen Partnerschaft schon einmal zueinander bekannt haben. Ihre Zeit als Prinzen-Paar solle kein politisches Bekenntnis sein, hat Axel Ladleif in Interviews gesagt.

Aber das Auftreten des Paares und das Bild hinter dem Altar in einer katholischen Kirche setzt dennoch ein politisches Zeichen – ob es die Beteiligten nun beabsichtigen oder nicht. In Interviews sprechen Ladleif und Neumann darüber, dass ihnen immer wieder die Reaktion begegne, dass sie ja „ganz normal“ seien. In den Medien wurde über das erste „schwule Prinzenpaar“ im Rheinland überregional berichtet. Die große Aufmerksamkeit zeigt, dass es in der Gesellschaft offensichtlich doch noch nicht als „normal“ angesehen wird, wenn zwei Männer ein Paar sind. Obwohl sie ein ganz „normales“ Leben führen: Axel Ladleif und Thorsten Neumann haben  in Mönchengladbach ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut und tragen Verantwortung für ihre Mitarbeiter.

 

Gottesdienstbesucher erleben im Geist  des liebenden Gottes eine Gemeinschaft

Im Karnevalsgottesdienst sind keine Unterschiede zu bemerken. Sieht man einmal davon ab, dass die Ornate der närrischen Regenten etwas märchenhafter aussehen als die Uniformen ihres Gefolges und der anwesenden Karnevalsgesellschaften. Bei den Klängen der Venner Band ‘Sound & Spirit’ wippen die prinzlichen Füße genauso im Rhythmus wie der geistliche Finger des Pfarrers den Takt klopft. „Wir wollen mit Spaß an der Freud feiern“, hat Prinz Axel I. zu Beginn seiner Regentschaft versprochen. Dieses Versprechen lösen die Prinzen ein. Sie bringen Freude unter ihr närrisches Volk.

Das zeigt Wirkung. Beim Brauchtumsabend in Kloster Neuwerk wenige Tage zuvor hat das Paar das Herz von Schwester Esther, Oberin der Salvatorianerinnen, im Sturm erobert. „Wenn ich könnte, würde ich die beiden heiraten“, bekannte sie. Und nicht nur ihr Herz hat das Prinzen-Paar gewonnen. „Wir haben das Lachen verlernt, wir nehmen uns viel zu wichtig“, sagte Pfarrer Horst Straßburger zu Beginn des Gottesdienstes. Bei diesem Karnevalsgottesdienst in St. Maria Empfängnis wird viel gelacht. Zusammen, ohne Unterschiede zu machen. Die Gottesdienstbesucher  erleben eine kirchliche Gemeinschaft, die jeden in ihre Reihen aufnimmt – ohne Ressentiments. Ganz im Geist des liebenden Gottes, der alle Menschen so annimmt, wie sie sind. Ein Geist, den auch die Kirchenkritiker vor Augen haben, wenn sie Reformen in der Kirche fordern. In Venn konnte man ihn zwei Stunden lang spüren.

 

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