Kirche der Nähe, aber anders

Im Viersener Albertus-Magnus-Gymnasium wurde über die Zukunft der Region Kempen-Viersen diskutiert

Referent Andreas Schreib erläutert den Anwesenden in der Aula des Albertus-Magnus-Gymnasiums die Idee der Pastoralen Räume, die es zukünftig in der Region Kempen-Viersen geben soll. (c) Kathrin Albrecht
Referent Andreas Schreib erläutert den Anwesenden in der Aula des Albertus-Magnus-Gymnasiums die Idee der Pastoralen Räume, die es zukünftig in der Region Kempen-Viersen geben soll.
Datum:
27. Apr. 2023
Von:
Kathrin Albrecht

Wie wird die Bistumsregion Kempen-Viersen zukünftig aussehen? Das war das Thema einer Informationsveranstaltung, moderiert von Christoph Keil, zum Thema „Pastorale Räume“ im Bischöflichen Albertus-Magnus-Gymnasium in Viersen. Im Rahmen des Heute-bei-dir-Prozesses ist eine Neustrukturierung vorgesehen.

Dieser Prozess, an Silvester 2017 von Bischof Helmut Dieser gestartet, sieht eine umfassende Strukturreform des Bistums vor. Diese soll nach vierjähriger Diskussion auf verschiedenen Ebenen, vier Synodalversammlungen inklusive, nun in den kommenden vier Jahren umgesetzt werden. Das Regionalteam mit Pfarrer Jan Nienkerke, Harald Hüller und Gabi Terhorst begrüßte zahlreiche Interessierte in der gut gefüllten Aula des Albertus-Magnus-Gymnasiums, die gekommen waren, um zu hören, wie die Region zukünftig aussehen soll.

Andreas Schreib, Leiter der Stabsstelle Strategiemanagement des Heute-bei-dir-Prozesses, und Ökonom Martin Tölle waren als Referenten eingeladen, um noch einmal wichtige Eckpunkte vorzustellen und Antworten auf offene Fragen zu geben. Dazu bestand, das zeigte der weitere Verlauf des Abends, reichlich Bedarf. Nicht immer hatte es den Anschein, als könnten die Fragen zufriedenstellend beantwortet werden.

In seinem Vortrag machte Andreas Schreib noch einmal deutlich, warum nicht zuletzt aus Sicht des Bistums eine solche Strukturreform vonnöten ist: In den kommenden 20 bis 30 Jahren werde die Zahl der Katholikinnen und Katholiken im Bistum deutlich zurückgehen. Bereits 2020 sank die Zahl deutlich unter eine Million. Parallel dazu werde sich auch die Zahl der pastoral hauptamtlich Beschäftigten im Bistum von 800 Anfang der 2000er Jahre um das Jahr 2040 auf etwa 400 halbiert haben. Auch die Zahl der Gottesdienstbesucher gehe kontinuierlich zurück, sank in den vergangenen 20 Jahren von 14 Prozent auf drei Prozent. Vor allem durch Corona hätten viele Alternativen wie Radio- oder Fernsehgottesdienste kennengelernt. Diese Menschen – das sind auch die Erfahrungen vieler Pfarreien vor Ort – kommen auch nicht wieder zurück.

Orte von Kirche – Pastorale Räume –  Pfarrei

Aktuell gliedert sich die Region in neun GdG mit 26 Pfarreien. (c) Harald Hüller
Aktuell gliedert sich die Region in neun GdG mit 26 Pfarreien.

Eine Trendumkehr sei nicht zu erwarten. Vielmehr gehe es darum, die Strukturen vor diesem Hintergrund realistisch umzubauen, eine „Aufwärtsspirale“ zu erreichen, die vom Inhalt her gedacht sei. Das ginge jedoch nur in größeren Strukturen, als sie bisher bestehen.

Er könne die Befürchtungen verstehen, die bei vielen bestünden, dass die von vielen gewohnte und gewollte „Kirche der Nähe“ in diesen größeren Strukturen untergehe, sagte Schreib. Er sei sich sicher, dass der Anspruch der Kirche der Nähe gehalten werden könne, „aber es wird anders sein“.

Den Kern der neuen Struktur bilden die Orte von Kirche – das könne eine Kindertagesstätte sein, eine Jugendgruppe oder ein Chor, eine Beratungsstelle oder ein Gebetskreis. Diese Orte der Nähe, die bereits jetzt zahlreich in der Region vorhanden seien, würden bestehen bleiben, unterstrich Schreib. Diese Orte gelte es zu pflegen und miteinander zu vernetzen. Dies geschehe auf der Ebene der Pastoralen Räume, die die bestehenden Gemeinschaften der Gemeinden ersetzen und in räumlich größeren Strukturen angelegt werden sollen. Ebenso ändere die Pfarrei ihre Bedeutung. Die Pfarrei des Jahres 2028 bilde die Rahmenstruktur, die in ihrer Größe ungefähr den acht Kirchen-regionen entspricht. Daraus generiere sich die Zahl von bistumsweit 8 bis 13 Pfarreien. Auf dieser Ebene vernetzen sich ihrerseits die Pastoralen Räume untereinander.

Kritik am Zeitplan geäußert und viele  Fragen unbeantwortet

Es gelte, unterstrich Schreib, strategisch auf die Gesamtfläche zu schauen: „Wenn wir es klug machen und gut überlegen, wo beispielsweise Sonntagsgottesdienste stattfinden können, kriegen wir das gut bespielt.“

Zukünftig sollen Teams aus Haupt- und Ehrenamtlichen Pfarreien leiten. Eine Projektgruppe diskutiere derzeit noch verschiedene Konzepte von Leitungsmodellen und will im Herbst Ergebnisse vorstellen. Für den Schritt, der jetzt in den GdG anstehe, mahnte er, die Räume groß genug zu wählen, sonst gerate man alle drei bis vier Jahre in eine Reformspirale.

Seit Januar 2023 waren die Regionalteams gemeinsam mit der Fachabteilung des Bistums zusammengekommen, um Vorschläge zu erarbeiten, wie die Regionen neu strukturiert werden könnten. Der Vorschlag, den Harald Hüller vorstellte, sieht eine Gliederung der Region in fünf Pastorale Räume aus den derzeit bestehenden neun GdG vor. Dabei, erläuterte Hüller, habe man sich an den alten Dekanatsgrenzen orientiert. Gewachsene Strukturen würden berücksichtigt, so dass keine GdG auseinandergerissen werde. Damit würden mit durchschnittlich 25000 bis 35000 Gemeindemitgliedern die Pastoralen Räume deutlich größer als die vom Bistum ausgegebene Leitlinie von 15 000 bis 20 000.

Einige Anwesende sahen das durchaus kritisch. Ebenso kritisch wurde der zeitliche Rahmen gesehen, in dem über den neuen Zuschnitt entschieden werden soll. Bis zur Entscheidung Ende Juni blieben nur noch knapp zwei Monate. Andere taten sich schwer damit, rechtsverbindliche Entscheidungen zu treffen, wenn die rechtlichen Strukturen noch unklar seien. Martin Tölle versicherte, es werde mit jedem Kirchenvorstand gesprochen. Auch wies er darauf hin, dass sich an den Schlüsselzuweisungen für die Pfarreien zunächst nichts ändere. Dennoch blieben viele Fragen offen, die jetzt in den GdG-Gesprächen geklärt werden müssen. Nach den GdG entscheiden die regionalen Räte bis Ende September, ob die Vorschläge so umsetzbar sind. Bis Ende Dezember wird auf Bistumsebene beraten. Zum 1. Januar 2024 sollen die Pastoralen Räume dann in Kraft treten. 

(c) Bistum Aachen

Neue Pastorale Räume
138740 Katholikinnen und Katholiken leben in der Region Kempen-Viersen, derzeit noch verteilt auf 9 GdG und 26 Pfarreien. Der Vorschlag des Regionalteams sieht zukünftig fünf Pastorale Räume vor. Dabei tun sich diejenigen zusammen, die über unterschiedliche Ressourcen verfügen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Die Pastoralen Räume sollen eher größer als kleiner gebildet sein, damit sie langfristig tragen. Außerdem sollen gewachsene Strukturen, Sozialräume und Möglichkeiten der ökumenischen Zusammenarbeit berücksichtigt werden.

Vor allem für die GdG Grefrath, Nettetal, Schwalmtal sowie Brüggen/Niederkrüchten würde es zu Veränderungen kommen. Die GdG Nettetal und Grefrath würden ebenso wie Schwalmtal, Brüggen und Niederkrüchten zu einem Pastoralen Raum zusammengelegt. Orientiert habe man sich an den alten Dekanatsgrenzen sowie an kommunalen Grenzen.

Zum Teil, erläuterte Harald Hüller aus dem Regionalteam, seien die GdG wie Grefrath sehr klein. Auch würden so weiße Flecken vermieden und gewachsene Strukturen berücksichtigt, um nicht unnötig Verbände auseinanderzureißen, die bereits gut funktionieren. Weitgehend in den bestehenden Grenzen blieben die GdG Kempen/Tönisvorst und Willich. Die drei Viersener GdG würden zu einem Pastoralen Raum zusammengelegt. Dieser Vorschlag wird nun in den kommenden Wochen mit den GdG-Leitungen besprochen. Bis zum 30. Juni müssen Vorschläge vorliegen, wie die Pastoralen Räume in der Region aussehen sollen, die dann bis Ende September auf regionaler Ebene beschlossen werden.