In frischem Glanz

Das Team der Schatzkammer nutzt die Corona-Pause für Reinigungs- und Restaurierungsarbeiten

Restauratorin Stefanie Korr bei der Arbeit am Ambo Heinrichs II. in der Chorhalle (c) Andrea Thomas
Restauratorin Stefanie Korr bei der Arbeit am Ambo Heinrichs II. in der Chorhalle
Datum:
14. Apr. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 16/2020 | Andrea Thomas

Unser öffentliches Leben steht still. In einer Großstadt wie Aachen kann man das derzeit gut beobachten. Rund um Rathaus und Dom, wo sich sonst Einheimische und Touristen drängen, ist es ungewohnt leer und ruhig. Auch die Domschatzkammer ist aktuell, wie so vieles, geschlossen. Im Dornröschenschlaf liegt sie dennoch nicht. 

Im Gegenteil: „Geschlossen“ heißt für Schatzkammer-Leiterin Birgitta Falk und ihr Team: Dinge mal mit etwas mehr Ruhe angehen zu können, die sie sonst im laufenden Betrieb erledigen müssen, wie zum Beispiel den Frühjahrsputz. Die Kunstschätze des Doms wie Marien- und Karlsschrein, Barbarossaleuchter oder Heinrichsambo werden in einem festen Turnus auf eventuelle Schäden kontrolliert und gereinigt bzw. ihre Glasvitrinen geputzt. Stauben tut es nämlich auch in heiligen Hallen – und gerade bei solch alten und wertvollen Stücken kann das einiges an Schaden anrichten, wie Birgitta Falk erläutert. „Man ist erstaunt, wie viel Spinnweben und Staub sich beispielsweise mit der Zeit auf dem Barbarossaleuchter ansammeln. Beides zieht Feuchtigkeit an, die wiederum zu Schimmel und Korrosion führen kann, und muss daher regelmäßig entfernt werden.“ 

Der Leuchter und die beiden Schreine stehen erst wieder 2021 auf dem Putzplan. 2020 ist der Ambo Heinrichs II. an der Reihe, entstanden zwischen 1002 und 1024 und eines der prunkvollsten Stücken aus ottonischer Zeit. Die für Objekte aus dem Mittelalter ungewöhnlich genaue Datierung und Zuordnung lässt sich auf eine Inschrift am Ambo zurückführen. „Darin ist von König Heinrich die Rede. Er muss also vor seiner Krönung zum Kaiser entstanden sein“, erläutert Birgitta Falk. Ursprünglich hatte der Ambo seinen Platz im Oktogon. Nach 1414 wurde er in die Chorhalle versetzt, wo man ihn bis heute bewundern kann.

Zur turnusmäßigen Reinigung begutachtet ihn zunächst Restauratorin Stefanie Korr, die sich an zwei Tagen in der Woche in der Domschatzkammer um die Skulpturen kümmert, gründlich, ehe sie ihm vorsichtig mit Pinsel und einem speziellen Staubsauger mit Feinstaubfilter zu Leibe rückt. Immer wieder versetzt sie ihre Leiter an eine andere Stelle, durchbricht mit ihrem Staubsauger die Stille des Doms. „Normalerweise müsste ich dazu, um nicht allzu sehr zu stören, die Zeit abpassen, wenn gerade keine Gottesdienste oder Ähnliches stattfinden“, erklärt sie. Wegen der Coronamaßnahmen kann sie diesmal ohne Unterbrechung arbeiten. So hat die Krise dann an manchen Stellen auch mal was Gutes.

 

Unverhoffte Popularität  für die „Gekrönte“

Unter anderem hat sie auch eine Dame in den Blickpunkt der internationalen Öffentlichkeit gerückt, die bis vor Kurzem nur dem ein Begriff war, der sich intensiver mit dem Dom und seinen Heiligen beschäftigt hat. Die Rede ist von der heiligen Corona, deren Gebeine hier seit über tausend Jahren ihre letzte Ruhestätte haben. Kaiser Otto III., sehr fromm und ein großer Verehrer Karls des Großen, hatte sie aus den römischen Katakomben gemeinsam mit den Reliquien des heiligen Leopardus nach Aachen bringen lassen. Die Grabplatten der zu Mitpatronen des Doms erhobenen Heiligen sind bis heute erhalten. Die von Corona liegt etwas versteckt unter der Besucherbestuhlung nahe des Marienaltars im Sechzehneck.  Die Verbindung zwischen dem Virus, das uns dieser Tage so in Atem hält, und der Heiligen liegt vor allem im Namen. „Corona“ heißt im lateinischen „die Gekrönte“: Von der jungen Christin heißt es, dass vor ihrem gewaltsamen Tod eine Siegeskrone über ihrem Haupt erschienen sein soll, das Virus hat unter dem Mikroskop eine kronenartige Struktur. Außerdem wurde sie in St. Corona bei Kirchberg am Wechsel als Schutzpatronin gegen Unwetter, Missernte und Viehseuchen angerufen, was später in einigen Heiligenlexika auf alle Verehrungsorte ausgeweitet wurde.

Ihre neue Berühmtheit hat auch dafür gesorgt, dass Luke Koeppe trotz Schließung gut beschäftigt ist. Der junge Student der Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft, der seit drei Jahren für die Schatzkammer arbeitet, reinigt derzeit den Schrein, in den die Gebeine der Corona und des Leopardus vor gut hundert Jahren auf Wunsch des damaligen Stiftspropstes Alfons Bellesheim umgebettet wurden. Er hat die letzten 25 Jahre im Depot verbracht und sollte eigentlich erst in einer für den Sommer geplanten Ausstellung zu Goldschmiedearbeiten des Historismus der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Aufgrund der aktuellen Ereignisse hat Birgitta Falk die Arbeiten nun vorgezogen. „Der Corona-Leopardus-Schrein wurde zwischen 1911 und 1912 in der Werkstatt des bedeutenden Aachener Goldschmieds Bernhard Witte angefertigt. Angesichts des Aufwandes und der Kosten wäre die Werkstatt darüber beinahe pleite gegangen“, erzählt sie. 

Fast 100 Kilogramm wiegt der 93 Zentimeter hohe, nach dem Vorbild einer byzantinischen Kirche mit kreuzförmiger Grundform und reichverzierter Kuppel gestaltete Schrein. „Er ist so groß und schwer, dass wir ihn gar nicht im Ganzen in die Werkstatt transportieren können“, erläutert Luke Koeppe. Daher hätten sie zunächst die Kuppel entfernt, um diese zu reinigen. Das macht der junge Mann mit großer Vorsicht und Liebe zum Detail.  Jedes Einzelteil (die Kuppel hat allein 372 Schrauben) wird vorsichtig entfernt, katalogisiert (um alles wieder exakt zusammensetzen zu können) und gereinigt. „Ein faszinierendes Stück mit vielen besonderen Details“, schwärmt Koeppe. Die Kuppel ist aus Silber und Kupfer mit Emaillearbeiten, Lupa und Pinienzapfen sind an den Dom angelehnt und alle dargestellten Heiligen haben einen Aachen-Bezug. Der Schrein zitiere die Kunst des Mittelalters, aber mit zeitgenössischem Einschlag von Artdeco und Jugendstil, und verdiene es, Schmuckstück der geplanten Ausstellung zu werden. Die, so hofft Luke Koeppe, dann noch ein wenig von Coronas neuer Popularität profitiert. 

Restaurierungsarbeiten in der Domschatzkammer

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