In der Trauer nicht allein

Trauerpastoral heißt Menschen in einer schweren Lebensphase gut begleiten, gerade auch in der Pandemie

ondolenzkarten drücken Anteilnahme und Trauer aus, doch es braucht auch das persönliche Mittrauern von Mensch zu Mensch. (c) Andrea Thomas
ondolenzkarten drücken Anteilnahme und Trauer aus, doch es braucht auch das persönliche Mittrauern von Mensch zu Mensch.
Datum:
10. Nov. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 45/2021 | Andrea Thomas

Wer in den vergangenen gut anderthalb Jahren jemanden verloren hat, egal ob durch das Virus oder etwas anderes, der sah sich neben seiner Trauer und seinem Verlust auch mit der Distanz konfrontiert, die die Pandemie uns verordnet. Was macht das mit Menschen und mit denen, die sie in dieser schweren Zeit begleiten? Nachfrage bei den Seelsorgerinnen an den Aachener Grabeskirchen.

Mit dem Tod eines geliebten Menschen weiterleben zu müssen, ist schwer. (c) Andrea Thomas
Mit dem Tod eines geliebten Menschen weiterleben zu müssen, ist schwer.

So unterschiedlich die architektonisch auch sind, haben sie eines gemeinsam, eine eigene Atmosphäre der Ruhe und Stille. Die Zeit scheint inmitten der Urnenstelen für eine Weile stillzustehen. Hierher können Menschen ihre Trauer tragen und finden bei Bedarf Menschen, die für sie da sind, die zuhören oder Trost spenden. Das gilt für alle, die hier tätig sind, ganz besonders aber für die Seelsorgerinnen. An der Grabeskirche St. Josef ist das Ursula Heck, am Columbarium St. Donatus Nicola Terstappen und am Columbarium St. Gregorius Silvia Dederichs. Allen dreien ist Trauerpastoral eine Herzensangelegenheit. 
Die Begleitung von Menschen sei schon immer Schwerpunkt ihrer pastoralen Arbeit gewesen, sagt Silvia Dederichs.

In der Trauerpastoral begleiten sie dabei seit vielen Jahren ein paar Zeilen von Mascha Kalekó: „Den eigenen Tod, den stirbt man nur, mit dem Tod der anderen muss man leben.“ – „In diesem Satz wird für mich die Bedeutung von Trauerbegleitung deutlich, dass niemand mit der Trauer allein unterwegs sein muss“, sagt sie. Davon und dass Menschen ganz unterschiedlich mit Dingen umgehen, hat sie sich bei ihrem Konzept für die Seelsorge am Columbarium in Burtscheid leiten lassen. Zentral ist dabei, sich Zeit zu nehmen: Kreativ-Zeit (malen, basteln), Lese-Zeit (Buchvorstellungen, Lesungen), Erinnerungs-Zeit (Andachten), Erzähl-Zeit (Trauer-Café) heißen einige der Angebote. Unterstützt wird sie dabei von anderen Gemeindemitgliedern, zum Beispiel den Ehrenamtlichen im Beerdigungsdienst, die den Gedenkgottesdienst an Allerheiligen für die Verstorbenen des vergangenen Jahres mitgestalten.

Für Nicola Terstappen drückt sich viel von ihrem Selbstverständnis als Trauerseelsorgerin und Trauerbegleiterin in einem Text von Antje Sabine Naegeli aus. Darin heißt es unter anderem: „Einen Menschen wünsche ich dir, der dich unter das Dach seiner Hoffnung nimmt.“ – „Wenn Trauernde auf ihrem Weg einen solchen Menschen finden, dann ist das eine ganz wunderbare Ressource in einer Zeit, in der das ganze Leben aus den Fugen geraten ist“, sagt sie. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Einzelbegleitung. Das habe sich zu Beginn ihrer Arbeit am Columbarium in Brand so ergeben, weil sie dort leider nicht die räumliche Möglichkeit für Gruppenarbeit hätten.

Die Pandemie habe diesen Schwerpunkt noch einmal verstärkt. Abschied nehmen von geliebten Menschen war in den letzten Monaten noch schwerer als sonst. Im Lockdown, als Besuche im Krankenhaus stark eingeschränkt oder manchmal gar nicht möglich waren, konnten viele Menschen sich nicht gut verabschieden. Das belaste, jemandem im Tod nicht nahe sein zu können, sagt Ursula Heck, die neben ihrer Stelle an der Grabeskirche St. Josef Aachen auch in der Krankenhausseelsorge tätig ist. Dort versuchten sie inzwischen, Besuche in der Sterbephase, so gut es geht, wieder möglich zu machen. 

Eine der wenigen Konstanten in sozialer Isolation und Einsamkeit

Niemanden zu haben, der mit einem trauert, einen tröstend in den Arm nimmt, weil das Virus Distanz fordert, ist für Trauernde schwer. „Ich begleite Menschen, die zusätzlich zu ihrer schon so belastenden Trauersituation plötzlich dem ganzen Ausmaß von sozialer Isolierung und Einsamkeit ausgesetzt waren. Menschen, die sich zu dieser Zeit auf ihren Streifzügen durch die Stadt, weil sie es in ihren eigenen vier Wänden nicht aushielten, noch nicht einmal in ein Café setzen konnten, um wieder eine Stunde ihrer Zeit totzuschlagen. In den Zeiten des harten Lockdowns war ich als Trauerbegleiterin für diese Menschen zeitweise eine der ganz wenigen Konstanten, weil selbst nahe Verwandte und Vertraute sich zurückgezogen hatten“, schildert Nicola Terstappen ihre Erfahrungen. Das haben auch ihre Kolleginnen ähnlich erlebt. Großer Raum, Fenster auf, mit Maske, aber persönlich vor Ort zu begleiten, das sei wichtig, betont Ursula Heck. Auch für sie liegt der Schwerpunkt ihrer Arbeit an 
St. Josef derzeit vor allem auf den Einzelbegleitungen und Beisetzungen. So vorsichtig wie möglich, aber auch mit so viel Nähe wie nötig. Für Silvia Dederichs sind Telefon, E-Mail und anderes ebenfalls kein Ersatz für das persönliche (Trauer-)
Gespräch. „Ständig sagten mir die Leute: Ich warte so sehr auf eine Umarmung oder dass gemeinsam geweint wird oder eine Handberührung… Menschlichkeit kann nicht durch den PC ersetzt werden.“  Verändert haben sich mit Corona auch die Trauerfeiern, die mit nur wenigen Leuten stattfanden und finden. Für viele ist das schwierig, für andere aber durchaus auch entlastend, wie Ursula Heck festgestellt hat. Nicht für jeden sei es hilfreich, sich in der Trauer mit der Anteilnahme vieler konfrontiert zu sehen. Auch Nicola Ter-stappen sieht kleine Trauerfeiern nicht nur negativ. Sie seien zwangsläufig noch intimer und dadurch persönlicher geworden. Zu Herzen gehende Liturgien für Menschen in Trauer waren ihr schon immer wichtig, und das hat sich nun noch verstärkt. Sie bietet persönliche kleine Erinnerungsfeiern zum ersten Jahrestag an, im engsten Kreis direkt an der Grabstätte. Diese Feiern seien im Augenblick ein ganz wichtiges Angebot für Familien, die im vergangenen Jahr unter sehr erschwerten Bedingungen Abschied nehmen mussten.
Ob die Pandemie auch die Art zu trauern verändert, finden alle drei schwierig zu sagen. Sie habe Menschen in Trauer sicherlich noch einiges zusätzlich zugemutet. Trauer allein bewältigen zu müssen, führe zu noch mehr Traurigkeit und Einsamkeit. Das ein wenig aufzufangen, haben sie sich zur Aufgabe gemacht.

Grabeskirchen in Aachen

2 Bilder

Grabeskirchen (links das Columbarium St. Donatus, rechts die Grabeskirche St. Josef, beide in Aachen) strahlen eine eigene Atmosphäre aus. Sie geben der Trauer einen Raum.