Im Geiste Mutter Apollonias

Die Schwestern der heiligen Elisabeth prägten die Entwicklung der Krankenpflege in Aachen nachhaltig

Die Elisabethinnen sind Gasthaus-Schwestern geblieben und ihr Kloster ein gastliches Haus. (c) Andrea Thomas
Die Elisabethinnen sind Gasthaus-Schwestern geblieben und ihr Kloster ein gastliches Haus.
Datum:
28. Sep. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, 39/2022 | Andrea Thomas

Als die damals bereits über 50-jährige Apollonia Radermecher 1622 das „Gasthaus“ (Hospital) am Aachener Radermarkt (Münsterplatz) übernahm, veränderte dieser Schritt ihr Leben und das einiger ihrer treuen Freundinnen, aber auch das der in Aachen lebenden Menschen sowie vieler Pilger, die zu den Heiligtumsfahrten kamen. 

Im Gasthaus am Radermarkt (1622 bis 1904) nahm die  Geschichte der Elisabethinnen und ihr Wirken seinen Anfang. (c) Elisabethinnen Aachen
Im Gasthaus am Radermarkt (1622 bis 1904) nahm die Geschichte der Elisabethinnen und ihr Wirken seinen Anfang.

Geboren wurde Apollonia 1571 im Aachener Rathaus, wo die Familie wohnte und ihr Vater eine wichtige Stellung innehatte. Mehr „Öcher Mädchen“ geht kaum. So kehrte sie ‘s-Hertogenbosch, wo sie lebte und sich in einer Frauengemeinschaft um Krankenpflege und deren Organisation kümmerte, bereitwillig den Rücken, als Aachens Stadtobere ihr das Amt der Gasthausmeisterin in ihrer Heimatstadt anboten.

Für sie war der Dienst an kranken Menschen Dienst an Christus. Das „Gasthaus“, Aachens Armenspital, war in keinem guten Zustand. Es war baufällig und bot zu wenig Platz zur Versorgung der Erkrankten, besonders bei ansteckenden Krankheiten und zu Zeiten der Heiligtumsfahrten – oder wenn beides zusammenkam wie 1622, als Pilger die Pest nach Aachen eingeschlept hatten. Es war also keine leichte Aufgabe, der sich Apollonia Radermecher gegenübersah. 

Weil sie keine Gemeinschaft fand, die die Pflege übernehmen wollte, gründete sie schließlich selbst den „Orden der Schwestern der heiligen Elisabeth“. Damit legte sie nicht nur den Grundstein für eine in diesem Jahr 400 Jahre bestehende Ordensgemeinschaft, sondern für moderne Krankenpflege in Aachen und überall dort, wo die Schwestern Kloster gründeten. Mutter Apollonias Hospitalschwestern prägten auf die nächsten Jahrhunderte die Art, wie Kranke versorgt wurden, am Aachener Radermarkt, dem Maria-Hilf-Spital an der Monheimsallee und den klinischen Anstalten in der Goethestraße, wo heute Missio ist.

Apollonia Radermecher begann damit, einige grundlegende Maßnahmen einzuführen. „Sie sorgte dafür, dass alle Kranken erst einmal gebadet und in ein sauberes Bett gelegt wurden, das sie nicht mit anderen Kranken teilen mussten“, berichtet Sr. Johanna, Generalvikarin der Aachener Elisabethinnen. Zwischen den Betten im Krankensaal ließ sie Paravents aufstellen und trennte Frauen und Männer. Damit leitete sie den Wandel von der „Verwahrung kranker Menschen“ (die Spitäler dieser Zeit waren mehr Alten- und Hospizanstalten denn Krankenhäuser in heutigen Verständnis) zur Krankenpflege ein, die es mehr Menschen ermöglichte, das Hospital genesen zu verlassen. Verbesserte hygienische Verhältnisse und menschliche Fürsorge waren ihr dabei genauso wichtig wie geistliche Stärkung. Der Krankensaal war zur Kirche hin geöffnet, so dass die Kranken an den täglichen Messen teilhaben konnten, indem sie entweder einen Blick in Richtung Altar hatten, Glocken und Gesang hören oder den Weihrauch riechen konnten.

Kostengünstige „Leiharbeiterinnen“ im Dienst an Kranken, Armen und Alten

Ordensleben in Fürsorge für Alte und Kranke (hier 1972 im St.-Josef-Stift). (c) Elisabetinnen Aachen
Ordensleben in Fürsorge für Alte und Kranke (hier 1972 im St.-Josef-Stift).

Apollonia Radermecher führte außerdem Pflegeaufzeichnungen, und damit erstmals Krankenakten, sowie Arztrechnungen ein. Die Fürsorge für Kranke bekam so eine Organisationsstruktur. Auch am Pavillonsystem des alten Klinikums in der Goethestraße hatten die Schwestern Anteil. So sollten unter anderem Menschen mit ansteckenden Erkrankungen besser isoliert werden. Für die städtischen Krankenanstalten waren sie unverzichtbar. Auch weil sie günstig waren. „Sie waren quasi Leiharbeiterinnen. Ihr Geld, ihre Mitgift flossen in den Spitalfonds, der eine kostengünstige Krankenpflege ermöglichte“, berichtet Sr. Johanna.

All das taten die Elisabethinnen zudem „in kleiner Besetzung“, denn aus Sorge um einen zu großen Einfluss der Klöster war die Zahl der Schwestern im Aachener Mutterhaus lange Jahre auf 14 beschränkt. Erst zwischen den beiden Weltkriegen änderte sich das, bevor sie mit dem Nationalsozialismus als Krankenschwestern zunehmend von „braunen Schwestern“ verdrängt wurden. Ihr Ordensgewand abzulegen, kam für die Elisabethinnen nicht in Frage, pflegten sie doch im Geiste Mutter Apollonias. So nahmen sie in diesen Jahren manches an Schikanen und Schwierigkeiten in Kauf. Sie versahen ihren Dienst auch in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs, als ihr 1937 geweihtes Mutterhaus am Preusweg von der Gestapo konfisziert wurde, und sie gegen Kriegsende mit ihren Schutzbefohlenen im Bunker „hausen“ mussten.

Zu den Menschen, um die sie sich kümmerten, gehörten von Anfang an auch alte und arme Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden. So waren sie lange Zeit in der Altenpflege tätig, unter anderem im Aachener St.-Josef-Stift, das 2008 ans Klosterstift Radermecher überging. Sie seien stets „Gasthaus-Schwestern“ geblieben, erklärt Sr. Johanna. Armut und Krankheit ging in der Gründungszeit des Ordens oft Hand in Hand. Die Fürsorge für sie zieht sich wie ein weiterer roter Faden durch die Geschichte der Elisabethinnen. Im Hier und Heute äußert sich das in einem gastfreundlichen offenen Kloster, für Gäste wie für Menschen, die mit den Schwestern seit einigen Jahren in einer Hausgemeinschaft unter einem Dach leben. Vor allem aber in einem „neuen“ Gasthaus.

2019 hat die Gaststube für Bedürftige im Elisabethkloster am Preusweg eine Generalüberholung und einen neuen Namen bekommen: „Apollonias Gasthaus“, auf Öcher Platt „Plönns Jaastes“. Hier versorgen die Schwestern Menschen, die obdachlos oder sonst in einer schwierigen Lage sind, mit einer warmen Mahlzeit. Auch in Zeiten von Corona. Ein Zelt sorgte für Schutz und bot wie auch Bänke im Park nach der Essensausgabe eine Möglichkeit, dieses pandemiekonform zu verzehren. Nur „zum Mütterchen“ dürfe man kein Essen mitnehmen, sagt Sr. Johanna. Gemeint ist die neben der Gaststube liegende Krypta, in der Mutter Apollonia bestattet ist und in die sich manch ein Gast zu einem kurzen Gebet zurückzieht.