„Glauben mobil gestalten“

Pfarradministrator David Grüntjens ruft angesichts des Wandlungsprozesses zum Umdenken auf

David Grüntjens ist sich sicher: Um aus der Finsternis herauszukommen, müssen wir uns auf den Weg machen. (c) Ann-Katrin Roscheck
David Grüntjens ist sich sicher: Um aus der Finsternis herauszukommen, müssen wir uns auf den Weg machen.
Datum:
2. Juni 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 23/2020 | Ann-Katrin Roscheck

„Wir dürfen mit unserer Nase nicht am eigenen Kirchturm kleben“, ist sich Pfarradministrator David Grüntjens aus Papst Johannes XXIII. in Krefeld sicher. Denn um Kirche zukunftsfähig zu machen, so sagt der 34-Jährige, müssen wir unseren Glauben mobil gestalten.

„Wir dürfen nicht mehr mit unserer Nase am  eigenen Kirchturm kleben“, ruft der Pfarrer von  St. Dionysius auf. (c) Ann-Katrin Roscheck
„Wir dürfen nicht mehr mit unserer Nase am eigenen Kirchturm kleben“, ruft der Pfarrer von St. Dionysius auf.

Kirche befindet sich in einem Wandlungsprozess: Kirchen werden geschlossen, Gemeindefusionen bestimmen den Alltag, und die Jugend findet in einer globalen Welt mit fast unendlichen technischen Möglichkeiten neue Wege, ihre Glaubensfragen zu beantworten. Diesem Wandel müssen wir uns stellen, ist Grüntjens überzeugt. 
Dass das aber vor allem für die ältere Generation eine schwere Herausforderung ist, erlebe er immer wieder. Dabei, so sagt der Krefelder, zeige uns die Bibel schon, dass zu glauben nicht an einen Ort gebunden und auf neue Wege angewiesen ist.
Anhand von ausgewählten Bibelstellen möchte der junge Pfarrer motivieren, die eigenen kirchlichen Gewohnheiten noch einmal zu reflektieren.

 

„Der Herr sprach zu Mose: Geh, zieh hinauf von hier, du und das Volk, das du aus dem Land Ägypten heraufgeführt hast, in das Land, von dem ich Abraham, Isaak und Jakob geschworen habe: Deinen Nachkommen werde ich es geben“ (Exodus 33,1).


Kommentar David Grüntjens: „Gott sagt zu Mose: ,Geh in ein Land, das ich dir zeigen werde.‘ Und schickt ihn damit auf einen Weg, der von Gott begleitet wird. Gott hat immer einen Plan, das zeigt uns genau dieses Bibelzitat. Wir begeben uns nicht auf eine einsame Nachtwanderung, sondern jeder unserer Wege steht unter Gottes Führung. 
Im übertragenen Sinne bedeutet das, dass wir uns als Katholiken darauf einlassen sollten, mit welcher Herausforderung zu glauben in der heutigen Zeit verbunden ist. Dass wir uns dem Wandel stellen müssen. Die Kirchen sind eben nicht mehr brechend voll, es gibt nicht mehr so viele Gottesdienste, und seinen Glauben zu leben hat andere Zugänge gefunden oder befindet sich in einem Prozess, neue Wege zu erschließen.  Gott steht dabei an unserer Seite. In dem Vertrauen, dass er für uns den richtigen Weg finden wird, dass er uns leitet, sollten wir uns auf neue Wege einlassen.“ 


„Die Frauen erschraken und blickten zu Boden. Die Männer aber sagten zu ihnen: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden“ (Lukasevangelium 24,5.6a) 

Kommentar David Grüntjens: „Die Frage ,Was suchet ihr den Lebenden bei den Toten?‘ stelle ich mir in meiner alltäglichen Arbeit immer wieder. Ich erlebe oft, dass die Kirche von Pessimismus geprägt ist: Wir beschweren uns darüber, dass Altes nicht mehr funktioniert. Wir betrauern das Verlorene, das Tote, statt uns mit Optimismus auf neue Wege ins Lebendige zu begeben. Ich wünsche mir, dass wir das Tote hinter uns lassen, um wie in der Auferstehungsgeschichte das kirchliche Leben gemeinsam zu verbessern. Wir können uns offen fragen: Was funktioniert? Was funktioniert nicht? Und was kann kommen? Wir können uns Mut machen, dass wir gemeinsam in unserem Glauben auferstehen.“ 
„Wir müssen das Neue zulassen, um wieder ans Licht zu kommen“ 


„Blinde führe ich auf Wegen, die sie nicht kennen, auf unbekannten Pfaden lasse ich sie wandern. Die Finsternis vor ihren Augen mache ich zu Licht …“ (Jesaja 42,16a.b)


Kommentar David Grüntjens: „Vor dem, was wir nicht kennen, schließen wir oft die Augen, weil wir Angst haben, dass damit die Finsternis verbunden ist. Gleichzeitig lassen wir oft die Finsternis zu und verschließen uns vor Veränderung. Dabei kann Finsternis auch eine Chance sein, neues Licht zu entdecken.

Ich möchte dafür einige Beispiele geben: Als im Dezember in Papst Johannes XXIII. feststand, dass wir auf die Silvestergottesdienste in St. Josef und Liebfrauen verzichten und einen gemeinsamen Gottesdienst in St. Dionysius anbieten werden, war die Kritik aus den Gemeinden groß. Viele haben sich beschwert und laut dagegen angeschrien. 
Am Ende war der Gottesdienst in St. Dionysius toll: Die Bänke waren voll, wir hatten eine Sängerin dazugeholt, und viele Gemeindemitglieder haben sich darauf eingelassen. Von einigen kam anschließend sogar der Wunsch, es im nächsten Jahr wieder so zu machen. Wir müssen das Neue zulassen, um wieder ans Licht zu kommen.

Auch aus Corona lassen sich beispielsweise Chancen herausziehen. Am 1. Mai hatten wir in St. Dionysius als eine der ersten Kirchen in Krefeld geöffnet. Die Stimmung werde ich nie vergessen, ich habe auch viele neue Gesichter hier entdeckt. Zu Beginn des Gottesdienstes applaudierten auf einmal die Besucher, um ihre Begeisterung über die Kirchenöffnung zu zeigen. Und bei der Kommunion begegnete ich vielen Menschen, die weinten. Sie haben nicht daran gedacht, dass die Kirche an Ostern geschlossen war, sondern sie waren gerührt davon, dass wir wieder zusammen Gottesdienst feiern konnten. Sie haben sich vom Licht berühren lassen.“

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