Für Frieden und Versöhnung

Im 75. Jahr seines Bestehens ist die Botschaft des Aachener Friedenskreuzes aktueller denn je

Im Kreuzgang des Aachener Doms hat das Friedenkreuz seinen festen Platz. (c) Bistum Aachen/Andreas Steindl
Im Kreuzgang des Aachener Doms hat das Friedenkreuz seinen festen Platz.
Datum:
31. März 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 13/2022 | Kathrin Albrecht

Europa 1945 – Städte liegen in Trümmern. Männer kehren heim, die kurz zuvor noch Soldaten gewesen waren. Sie sind geprägt durch die Dinge, die sie an der Front erlebt haben, und sie kehren zurück in eine zerstörte Heimat, in der oft mehr als nur Gebäude in Trümmern liegen. 

Friedenskreuz (c) KiZ-Archiv
Friedenskreuz

In Krefeld entstand um eine solche Gruppe Kriegsheimkehrer eine Bewegung, die ein neues geistliches Leben aufbauen wollte. Und sie suchten nach einem starken Zeichen, das diesem neuen geistigen Aufbruch Ausdruck verleihen sollte. Sie fanden es in einem Kreuz, 150 Kilogramm schwer, gefertigt vom Krefelder Schreinermeister Franz Eicks, finanziert durch eine Sammlung. Der Aachener Künstler Anton Wendling fertigte eine geschnitzte Abbildung des dornengekrönten Jesus für das Kreuz an.

Zu seinem ersten Einsatz kam es bei einem „Gebetszug für den Frieden“, der an Karfreitag in Krefeld begann und durch das ganze Bistum führte, bis das Friedenskreuz am Michaelstag in Aachen an das Bistum übergeben wurde. Allein an dieser Abschlussfeier nahmen 30000 Menschen teil. Über diese erste Friedenswallfahrt mit dem Kreuz ist in einem Urkundenbuch, einsehbar im Aachener Domarchiv, Folgendes nachzulesen: „In einmütigem Gebet um den Frieden in Volk und Welt trugen Männer und Jungmänner des Bistums Aachen, mehr als 200 000 an der Zahl, das Sühnekreuz mit dem Antlitz des Dornengekrönten durch nahezu alle Städte und Dörfer des Niederrheins und der Eifel“.

Zunehmend ein Symbol für Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung

Das Aachener Friedenkreuz wurde in den Folgejahren bis 1965 fester Begleiter der jährlichen Bußgänge der Männer, bei Wallfahrten, bei Heiligtumsfahrten. 1950 reiste es mit zur Männerkreuzfahrt im Heiligen Jahr nach Rom, wo Papst Pius XII. das Kreuz segnete und den Auftrag gab, das Kreuz in alle Welt zu tragen. Dies geschah auch im Rahmen der grenzübergreifenden Wallfahrten durch die Niederlande und durch Belgien, mehrfach reiste das Friedenskreuz mit nach Lourdes. Noch vor Ende des Krieges brachten Bischöfe einen Gebetszug für die Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland auf den Weg.

Dies war auch die Geburtsstunde von Pax Christi, deren deutsche Sektion sich 1948 in Kevelaer gründete. Auch hier war das Friedenskreuz Zeuge dieses Aktes. Zweimal begleitete das Kreuz eine Friedenswallfahrt nach Polen – im August 1977 unter dem Leitgedanken „Im Zeichen der Versöhnung“ und 1989. Im Zuge dieser Wallfahrten brachte das Aachener Friedenskreuz immer wieder seine kraftvolle Botschaft für Frieden und Versöhnung. Es war Ausgangs- und Mittelpunkt für Versammlungen, Gebete und Gottesdienste.

In den 1980er Jahren nutzte Pax Christi das Friedenskreuz als Zeichen für einen umfassenden Frieden. Doch zugleich fand auch ein Paradigmenwechsel statt: Wurde Frieden in den Nachkriegsjahren als Abwesenheit von Gewalt und Krieg verstanden, schloss der Begriff für die nachfolgenden Generationen zunehmend auch Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung mit ein.

In den Jahren von 2003 bis 2013 finden sich keine Einträge im Urkundenbuch von Pax Christi, auch danach kam es überwiegend zu punktuellen Einsätzen, so 2014 im Rahmen des dritten ökumenischen Pilgerwegs für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, wo es am 5. April unter dem Motto „Bewegt durch Frieden“ durch Aachen getragen wurde. 2018 trugen Jungschützen aus den Bezirken Stolberg, Morschenich und Bogheim das Friedenskreuz im Rahmen einer Aachener Pilgerfahrt zur Maastrichter Heiligtumsfahrt durch die Straßen der Stadt. 

In den vergangenen Jahren begleitete das Aachener Friedenskreuz vor allem Gänge zum Erhalt der Schöpfung rund um die Braunkohleabbaugebiete im rheinischen Revier. Es begleitete Proteste zum Erhalt des Hambacher Forstes und zum Erhalt der Dörfer rund um den Tagebau Garzweiler II. Dort begleitete es im Spätsommer 2021 eine Etappe des Kreuzzuges für die Schöpfung von Gorleben nach Garzweiler, die durch das Bistum Aachen und entlang der zum Abbruch vorgesehenen Dörfer führte.

Durch den Ukrainekrieg hat es ungewollt an Aktualität gewonnen

Repliken des Aachener Friedenkreuzes befinden sich derzeit auf dem Weg durch die 77 Diözesen des Landes. (c) Padre José Ferney Quimbayo y Carrido
Repliken des Aachener Friedenkreuzes befinden sich derzeit auf dem Weg durch die 77 Diözesen des Landes.

In seinem Jubiläumsjahr hat die Bedeutung des Aachener Friedenskreuzes ungewollt an Aktualität gewonnen. Mit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar geschah etwas, das niemand mehr im 21. Jahrhundert für möglich gehalten hätte – Krieg als Mittel zur Lösung politischer Konflikte und die reale Bedrohung eines Einsatzes von Atomwaffen im Falle einer Eskalation. Die Ereignisse überschatten auch die Vorbereitung der Feierlichkeiten zum Jubiläumsjahr, das unter dem Motto „Gib dem Frieden dein Gesicht“ steht. „Die traurige Realität hat uns eingeholt“, sagt Burchhard Schloemer, der das Programm zum Jubiläumsjahr koordiniert.

Mehr denn je braucht es mutige und beharrliche Brückenbauer, Menschen, 
die dem Frieden ein Gesicht geben. An Aschermittwoch startete die interaktive Aktion „Friedensgesichter“, bei der Menschen ihr Porträt mit einem kurzen Statement posten können, warum sie sich für den Frieden engagieren. Über 40 Einträge sind bereits zusammengekommen, die gleichzeitig auch auf Facebook und Instagram veröffentlicht werden. Unter www.gib-dem-frieden-dein-gesicht.de ist die Aktion noch für Teilnehmende offen.

Dass Frieden keine Selbstverständlichkeit, die Erringung oft mühsam und das Halten des Friedens schwierig ist, zeigt auch das Partnerland des Bistums Aachen, Kolumbien. Anlässlich des Doppeljubiläums der 60-jährigen Partnerschaft und des 75-jährigen Bestehens des Aachener Friedenskreuzes wurden den 14 kolumbianischen Erzbischöfen stellvertretend für ihre Kirchenprovinzen mit 77 Diözesen Repliken des Aachener Friedenskreuzes übergeben. Diese werden nun von Christinnen und Christen durch ihre Gemeinden getragen.

Das Original wird am 9. April zu seinem Ursprung zurückkehren. In Krefeld eröffnet am Samstag vor Palmsonntag das bistumsweite Programm zum Jubiläum mit einer Vigil in der Kirche St. Dionysius. Bis September wird es durch verschiedene Regionen des Bistums ziehen, begleitet von Aktionswochen und Wallfahrten. Abschluss ist der Weltfriedenstag in Aachen.

Ein Blick in die Geschichte des Aachener Friedenskreuzes

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