Flair aus Gips und Pappmaschee

Hinsbeck sorgt mit Patenschaften für die Restaurierung ihrer 100 Jahre alten Brüx-Krippe

Im Detail ist erkennbar, mit welcher Hingabe wie auch gestalterischem Können Gerd Brüx seine Krippenfiguren schuf. (c) Ralf Hendrix
Im Detail ist erkennbar, mit welcher Hingabe wie auch gestalterischem Können Gerd Brüx seine Krippenfiguren schuf.
Datum:
26. Mai 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 22/2020 | Dorothée Schenk

Gerd Brüx war Künstler und Krippenbauer aus Kleve – einer mit Patent. Aus Papier, Cellulose, Gips und Leim schuf er den Stoff, aus dem seine Werke wurden. Das war vor 100 Jahren. Heute existieren nur noch vier Krippen, die seiner Hand entstammen. Je eine in Dortmund und Recklinghausen, eine im Privatbesitz in Berlin und eine in St. Peter Hinsbeck bei Nettetal.

Die Krippe ist für jede Kirchengemeinde etwas Besonderes. Es entsteht mit der Zeit eine emotionale Bindung. Wenn sie über 100 Jahre gewachsen ist, einmal mehr. In Hinsbeck ist schon die Geschichte, wie die Krippe zu St. Peter kam, eine Herzensangelegenheit: Der Oirlicher Landwirt Joseph Thodam litt an einer schweren Krankheit, betete zu Gott und gelobte, eine Krippe zu stiften, wenn er wieder gesund würde. Er hielt Wort: Nach seiner Gesundung, so erzählt Rainer Klingen vom Krippen-Team, habe er der Pfarrei ein paar Morgen Wald geschenkt, die sie verkaufen und damit die wertvolle Krippe anschaffen konnte. 

Bis heute sind die Figuren im Originalzustand erhalten, auch wenn die Landschaft und die Gebäude mehrfach verändert wurden. Glück und Sorgfalt der Gemeinde sind es zu verdanken, dass diese Überlieferung gelang. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Krippe in Sicherheit gebracht: Vergraben in einem Keller überdauerte sie die Bombenangriffe – und  sie fielen auch nicht den neu-modernen Pfarrern zum Opfer, wie es der Restaurierungs-Koordinator Klingen formuliert. Denn das Flair von Gips und Pappmaschee galt in den 70er und 80er Jahren als absolut verstaubt. Heute hat die Krippe wieder nostalgischen Wert – mal abgesehen vom künstlerischen.

Das Brüx-Werk gehört zur Gruppe der sizilianischen Krippen, und das Besondere sind die hervorragend ausgearbeiteten Figuren, die nicht Typen, sondern vielmehr individuelle Porträts nach lebenden Menschen zu sein scheinen, mit Ausdruckskraft und prägnanter Mimik. Spannend ist darüber hinaus das Miteinander des Materials: Es sind nicht nur farbig gefasste Figuren, zum Teil kommen Stoffe zum Tragen, sogar eine kleine fellbesetzte Tasche gehört zu den Accessoires eines Hirten.  Den Wert der Krippe erkannte Hans Rommen sofort. Er ist ein ebenso seltenes „Exemplar“ wie die Werke, die er betreut: Der 80-Jährige ist Polychromeur, Spezialist für vielfarbig gefasste Figuren, und übt als letzter seiner Art das einst blühende Handwerk in Kevelaer aus. Alle Schäden registrierte er, ob Figuren, denen Finger oder Nase fehlen, Säume an der Kleidung, die abgestoßen sind, oder Tiere mit „Gelenkschäden“. Als Gutachter kam Hans Rommen auf Vermittlung von Ralf Hendrix nach Hinsbeck. Hendrix singt als Privatmann im örtlichen Kirchenchor und ist im Hauptberuf in einem Stadtarchiv im Kreis Kleve beschäftigt. So ist das, wenn einer einen kennt, der einen kennt.

 

Fünfköpfige Gruppe gründete sich, um die Finanzierung des Projekts zu koordinieren 

Was als Überarbeitung angedacht war, entpuppte sich als umfangreiches Projekt mit reichlich Finanzbedarf. Eine fünf- köpfige Gruppe gründete sich mit Ortshistoriker Heinz Koch, der auch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, Kirchenvorstand Johannes Schmitz und seinem Vize-Vorsitzenden Herbert Heitzer, besagtem Ralf Hendrix und Rainer Klingen, der die Koordination übernommen hat.  Herbert Heitzer war es, der die Idee aufbrachte, die Gelder für die Restaurierung über ein Paten-Programm aufzubringen. Fast die vollständige Summe wurde tatsächlich durch die Dorfgemeinschaft Hinsbeck aufgebracht, berichtet Rainer Klingen nicht ohne Stolz.

Am vergangenen Sonntag, nur fünf Wochen nach dem ersten Aufruf, wurde die letzte Patenschaft vergeben. Von der Schneiderin bis zum Arzt seien alle dabei.  Eigentlich kein Wunder, denn das Team hat darauf geachtet, dass sich jeder einbringen konnte. Für 100 Euro konnte eine Patenschaft für die größten, bis zu 42 Zentimeter großen Figuren übernommen werden, dann folgten für 75 Euro die großen Tiere wie Ochs, Esel und Kamel. Eine Schafs-Patenschaft der mit 8 bis 10 Zentimeter kleinsten Werke konnten Spender schon für 5 bis 10 Euro übernehmen. „Das ist auch Kindern oder Menschen mit kleinerem Geldbeutel möglich.“

Jetzt sind nur noch die Aufbauten zu finanzieren: Vier Stallungen à 50 Euro, einige Häuser, Lagerfeuer und Brunnen warteten bei Redaktionsschluss noch auf Paten. Jeder Pate erhält übrigens eine Urkunde, so dass die Wertschätzung für die Unterstützung für sie selbst später auch beim Aufbau der Krippe in der Kirche sichtbar wird.  Während es bei der Restaurierung der Krippe um das Bewahren oder Wiederherstellen des Originalzustandes geht, wird die Technik modernisiert. Schon aus Brandschutzgründen wird die Elektrik überarbeitet: Kabel müssen erneuert werden und LED-Lampen halten Einzug, die darüber hinaus auch noch energiespa-rend sind. Und in der Aufbewahrung professionalisiert sich das Hinsbecker Krippenteam.

Auf Raten des Gutachters und Kenners Hans Rommen werden die Handtücher, in die die Figuren bis jetzt eingewickelt wurden, ausgemustert. Zu schnell könnten die Krippenfiguren nach der Restaurierung wieder Schaden nehmen. Die Hinsbecker Näherin Trude Gall, die bereits 2016 die älteste Hinsbecker Kirchenfahne restauriert hatte, ist gerade dabei, für jede Figur ein Aufbewahrungssäckchen zu nähen. Nach der Wiederherstellung kommen sie darum in Kisten, für die derzeit auch noch Sponsoren gesucht werden. Die Restsumme soll über den „Heimatscheck“ des Landes NRW aufgebracht werden. Auf die Bewilligung wartet die Gemeinde noch. Sollte dann noch etwas offen bleiben, so ist Rainer Klingen zuversichtlich, wird die Pfarrei einspringen. Zur 100. Aufstellung der Krippe in St. Peter Hinsbeck, am 2. und 3. Adventssonntag dieses Jahres, sollen die Figuren wieder in ursprünglicher Schönheit glänzen. Keinen Zweifel hat der 80-jährige Hans Rommen daran gelassen, dass ihm das gelingen wird.

Die Hinsbecker Brüx-Krippe wird restauriert

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