Etwas, das einen überrollt

Wie die Ordensgemeinschaften im Bistum Aachen die Corona-Krise erleben

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Datum:
26. Mai 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 22/2020 | Kathrin Albrecht

Ein Virus kennt keine Grenzen, unterscheidet nicht zwischen Arm und Reich, zwingt ganze Länder in den wochenlangen Lockdown. So ist es keine Überraschung, dass auch die Ordensgemeinschaften im Bistum Aachen von der Corona-Pandemie betroffen waren und sind. Die KirchenZeitung erzählt von drei Beispielen. 

Die Benediktinerinnen-Abtei Mariendonk bei Grefrath ist im Bistum eine feste Adresse für Exerzitienangebote, Kloster auf Zeit oder Tagesveranstaltungen wie Glaubens- oder Bibelgespräche, Vorträge und Kulturveranstaltungen. Dann kam Corona und alles stand still, von einem Tag auf den anderen. „Insofern hat es uns getroffen wie alle anderen auch“, sagt Schwester Christiana Reemts, Äbtissin der Abtei. „Man fühlt sich überrollt von etwas, was man noch nie erlebt hat und womit man leben muss.“ Und dieser plötzliche, unfreiwillige Stillstand löste in der Schwesterngemeinschaft Stress aus, mit dem die Schwestern auch unterschiedlich umgingen: „Die Jüngeren reagierten mit Fassungslosigkeit, die älteren Schwestern fühlten sich an die Kriegszeit erinnert. Die Schwestern mittleren Alters hatten einen sehr pragmatischen Zugang zu den Ereignissen: Was ist, das ist“, berichtet Schwester Christiana. Sie erlebte in den vergangenen Wochen eine gewisse Entschleunigung, aber auch eine Belastung. 

 

Harte wirtschaftliche Einschnitte

Denn viele Betriebe im Kloster standen still, so das Gästehaus oder die Hostienwerkstatt. „Das Ostergeschäft hatten wir noch bedient. Aber in den Gemeinden fielen die Gottesdienste aus, so haben diese noch genügend Vorräte.“ In der Paramentenwerkstatt werden die laufenden Aufträge abgearbeitet, neue gebe es bislang nicht. Schwierig wird es, das Jahr wirtschaftlich einzuschätzen, sagt Schwester Christiana. Was sie bewegte, hielt sie in einem Tagebuch fest, das auf der Homepage der Abtei zu lesen ist. Seit Anfang Mai sind öffentliche Gottesdienste wieder erlaubt, auch in der Klosterkapelle dürfen Besucher wieder mit den Schwestern beten – allerdings nicht im Chorgestühl. Auch das Kursprogramm hat die Abtei wieder vorsichtig hochgefahren. Manches, wie die Glaubensgespräche, führen die Schwestern per Skype durch. Auch den Gästebereich möchte man öffnen, sobald es geht. 

Schwester M. Veronika Stolze von den Armen-Schwestern des heiligen Franziskus machte ihre eigenen Erfahrungen mit Corona. Sie lebt im Konvent des Ordens in Arnoldsweiler und leitet die Schervier-Stube im Aachener Mutterhaus an der Elisabethstraße. Die Einrichtung bietet Menschen in Not die Möglichkeit, für kleines Geld zu frühstücken. Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer haben außerdem ein offenes Ohr für Sorgen und Ängste, stellen Kontakt zu anderen Einrichtungen her, die Hilfe anbieten.

Nachdem die Stube aufgrund der Kontaktbeschränkungen schließen musste, versuchte Schwester Veronika, mit einer Essensausgabe das Nötigste abzufangen. Denn rundherum stellten die Hilfseinrichtungen zunächst ihre Angebote ein.  Doch dann wurden zwei Mitschwestern im Mutterhaus positiv auf Sars-Cov-2 getestet und auch die Essensausgabe musste vorübergehend schließen. Auch Schwester Veronika selbst erkrankte an Covid-19, verbrachte im Mutterhaus eine zehntägige Quarantäne. „Das geht mir noch sehr nach.“ Schwierig sei es, so isoliert leben zu müssen. Wichtig sei, eine Struktur am Tag zu haben. Lichtblicke waren in dieser Zeit die Gottesdienste, die sie online verfolgen konnte, und die Konzerte, die Mitschwestern für die in Quarantäne befindlichen Schwestern im Klostergarten gaben.

Für die gesunden Schwestern bedeutete diese Zeit enormen Stress, erzählt Schwester M. Innocenta. In ihrem Flügel waren drei Schwestern erkrankt, eine verstarb schließlich im Luisenhospital. „Man leidet und bangt mit.“ Und dann ist auch die Sorge, andere anzustecken. „Eine Schwester wurde positiv getestet, zeigte aber keine Symptome, konnte theoretisch jedoch die Krankheit übertragen. Das ist ja das Tückische.“ Auch für Schwester Innocenta, die in der Seelsorge im Seniorenheim im Franziskuskloster am Lindenplatz tätig ist, hatte das Konsequenzen. „Es war klar, dass ich da vorerst nicht mehr hinkönnen würde.“ 

Schwester Christa Maria Plum, Konventsoberin in Arnoldsweiler, verfolgte die Ereignisse in Aachen und trug außerdem die Sorge für ihren eigenen Konvent. Fünf Schwestern leben dort, eine Novizin befindet sich in Ausbildung. Da eine Mitschwester positiv auf Sars-Cov-2 getestet wurde, musste auch der Konvent in eine 14-tägige Quarantäne. „In dieser Zeit waren wir ständig im Kloster und damit selber auf Hilfe angewiesen. Kolleginnen und unsere Nachbarn gingen für uns einkaufen. Selber auf einmal Hilfeempfängerin zu sein, war für uns eine Erfahrung, die demütig macht“, erzählt sie. Mit einer halbe Stelle ist sie als Gemeindereferentin in der GdG St. Franziskus Düren tätig. Dort begleitet sie im Schwerpunkt die Kinder und Katecheten zur Erstkommunion. Diese wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Jetzt, wo die ersten Lockerungen greifen, spürt sie auch die Unruhe und den Druck, die Feierlichkeiten nachzuholen. „Das ist auch unangenehm.“ 

 

Kontakte haben gefehlt

Auch Schwester M. Johanna, Generalökonomin der Elisabethinnen in Aachen, erkrankte an Covid-19. „Zunächst war das alles sehr weit weg. Wir hatten nicht geglaubt, dass es ins Kloster schwappen würde.“ Das Kloster der Elisabethinnen am Preusweg ist eine beliebte Station für Jakobspilger, der Weg nach Moresnet führt direkt an der Haustür vorbei. Auch sonst ist das Kloster ein lebendiges Haus mit Austausch, Besichtigungen und Besuchen von Kindern. Durch die Kontaktbeschränkungen wurde „die Welt auf einmal sehr klein“, beschreibt es Schwester Johanna. Innerhalb der Schwesterngemeinschaft gründete man zwei Gruppen, die erkrankten Schwestern bildeten eine eigene Gruppe, um die Mitschwestern nicht zu gefährden. „Als wir die Quarantäne überstanden haben und alle genesen waren, haben wir das ein bisschen gefeiert“, erzählt Schwester Johanna. Auch das Elisabethkloster öffnet sich wieder vorsichtig für die Öffentlichkeit. „Diese Kontakte haben in den vergangenen Wochen gefehlt“, berichtet die Ordensfrau.  

Was kann man aus einer Krise wie dieser mitnehmen, was gar lernen? „Vielleicht lernt die Gesellschaft, wie fragil sie ist, wie gefährlich unsere uferlose Globalisierung sein kann. Vielleicht regt es dazu an, etwas herunterzufahren und zu überlegen, was wir wirklich brauchen“, sagt Schwester Christiana Reemts. Ähnlich sieht es Schwester Christa Maria Plum. Mit Blick auf die Bewohner im Seniorenheim meint Schwester Innocenta: „Dasein ist wichtig“, auch wenn direkter Kontakt nicht möglich ist. Schwester Veronika ist dankbar für vieles, was in der Zeit neu entstanden ist an Hilfs- und persönlichen Netzwerken. „Es hat auch den Blick auf das Haus verändert. Wir wertschätzen, was Mitarbeiter hier täglich leisten.“ Die „neue Normalität“ auszuhalten, empfinde sie als schwierig: „Es ist schwierig auszuhalten, dass der Ausgang so ungewiss ist.“ 

Wie Ordensleute die Corona-Pandemie erleben

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