Es wird Zeit zuzuhören

Junge Menschen in Deutschland und weltweit wollen und können die Zukunft mitgestalten – es ist ihre

Unbeschwert aufwachsen, ohne Gewalt, Hunger, Not, in körperlicher und seelischer Unversehrtheit,  in Frieden und Versöhntheit, im Einklang mit der Natur: Das wünschen wir allen Kindern und Jugendlichen. Projektpartner der Hilfswerke setzen sich dafür ein, dass aus der Vision Wirklichkeit wird. (c) Projektpartner/Kindermissionswerk
Unbeschwert aufwachsen, ohne Gewalt, Hunger, Not, in körperlicher und seelischer Unversehrtheit, in Frieden und Versöhntheit, im Einklang mit der Natur: Das wünschen wir allen Kindern und Jugendlichen. Projektpartner der Hilfswerke setzen sich dafür ein, dass aus der Vision Wirklichkeit wird.
Datum:
5. Mai 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 18/2021 | Thomas Hohenschue

In der Jugend liegt der Schlüssel zur Zukunft. Ein Satz, der sonntags gerne gesagt wird. Die Taten, die den Worten folgen, sind der Maßstab, ob sie glaubwürdig sind. Und auch auf die Haltung kommt es an, aus der man handelt. Weiß man schon, was richtig ist für die Zukunftsbewältigung, oder hört und sieht man genauer hin? Geht es um eigene Ideen und Interessen oder um die Anliegen und Wünsche der Jugend?

Die meisten Gesellschaften auf der Welt sind jünger als die deutsche. Viele Länder zählen doppelt oder gar dreimal mehr Menschen unter 20 Jahren zu ihrer Bevölkerung. So ist es für das Fortbestehen der jeweiligen Gesellschaften keine Floskel, sich um die Belange der Jugend zu kümmern. Das ist es bei uns in Deutschland auch nicht, aber wir haben gesehen, dass bei der Bewältigung der Pandemie Kinder und Jugendliche hintenan gestanden haben. Katholische Verbände kämpfen bereits lange um mehr Mitbestimmungsrechte, um abgesenkte Wahlalter, um Kinder- und Jugendparlamente, um Beteiligungsformen, die Kinder und Jugendliche stärken, sie die Entwicklung des Gemeinwesens mit prägen und steuern lassen.

Vielleicht ist es an der Zeit, von den jungen Menschen zu lernen? Ihnen besser zuzuhören? Vielleicht sogar überhaupt einmal zuzuhören? Sie sind es, die mit den Konsequenzen unseres Handelns und Nicht-Handelns viele Jahrzehnte leben müssen. Auch in unserem satten und gleichwohl gespaltenen Wohlstandsland regt sich der Widerstand der Jugendlichen, gepaart mit Gestaltungswillen. Am deutlichsten wird dies in der Frage der Klimakrise. Diese wird die Lebenssituation eines Großteils der Menschen weltweit verschlechtern. Aber auch ansonsten geraten Menschenrechte überall unter Druck. Demokratien erodieren, Staaten implodieren, der Zugang zu Bildung, Wasser, Nahrung verknappt sich.

Zeit, auch den kirchlichen Hilfswerken wie dem Kindermissionswerk in Aachen zuzuhören. Über ihre Projektpartner in den unterschiedlichen Erdteilen erfahren sie, wie es vor Ort aussieht. Sie erleben dort, wie die Jugend die einzige Hoffnung, der Motor von Entwicklung ist. Mädchen und Jungen haben alles an Bord, was sie zur Bewältigung der Zukunftsfragen brauchen. Nur fehlt ihnen häufig eine Infrastruktur, die sie dabei unterstützt, selbstbestimmt und selbstorganisisiert das eigene Leben und das Schicksal der Gemeinschaft in die Hand zu nehmen. Die Zuschüsse aus dem reichen Norden und das Engagement der Projektpartner erschließen Zugänge.


Menschenwürde und Nächstenliebe  

Doch auch die Hilfswerke selbst müssen sich selbstkritisch hinterfragen, ob ihren Ansprüchen und Erklärungen immer die richtigen, glaubwürdigen Taten folgen. Die Menschenwürde soll der Kompass sein, so das Credo bei der Verabschiedung der verdienten Sternsinger-Leitungskraft Franz Marcus. Mit ihm und seiner Frau Angelika Matulla-Marcus lebte und arbeitete der spätere Misereor-Chef Josef Sayer in einem lateinamerikanischen Elendsviertel. Und machte Erfahrungen, die ein Leben lang prägen und die Augen öffnen, was zu tun ist und wie es zu tun ist.

Auch dem Generalökonomen der Salesianer Don Bosco, Jean Paul Muller, hilft die direkte Begegnung mit jungen Menschen, den Kompass stets neu auszurichten. Es gelte, die eigenen Stereotypen zu überwinden, genau hinzuhören, was die Mädchen und Jungen sagen, zu verstehen, dass sie nicht Objekte unserer barmherzigen Mildtätigkeit sind, sondern die Hauptakteure, die Gestalter ihres Lebens. In Rom werde viel über Nächstenliebe gepredigt, aber die Welt sähe anders aus, wenn die Menschenwürde ins Zentrum der Nächstenliebe gerückt werde. Der Romkenner, Kinderschützer und Jesuit Hans Zollner kennt und benennt die Risiken, die aus der Nähe zu Kindern und Jugendlichen entstehen. Keine Ortskirche der Welt habe nicht sexualisierte Übergriffe zu verantworten. Überall griffen die Mechanismen von Verdrängung, Verleugnung, Vertuschung. Menschenwürde zu fördern, erfordere, auch hier das Wohl der Jugend in den Mittelpunkt zu rücken.