Einen neuen Glanz verleihen

Das Woehl-Instrument in St. Remigius Viersen wird im Jahr der Orgel nach 15 Jahren frisch gereinigt

Überaus angetan ist Kirchenmusiker Michael Park von „seiner“ Woehl-Orgel und deren vielfältigen musikalischenDarstellungsmöglichkeiten in der Kirche St. Remigius Viersen. (c) Arne Schenk
Überaus angetan ist Kirchenmusiker Michael Park von „seiner“ Woehl-Orgel und deren vielfältigen musikalischenDarstellungsmöglichkeiten in der Kirche St. Remigius Viersen.
Datum:
7. Apr. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 14/2021 | Arne Schenk

Ein Hoch auf die Orgel! Das Instrument des Jahres und seit 2017 Weltkulturerbe wird in St. Remigius Viersen besonders herausgeputzt und daher gereinigt und gewartet von der Firma Orgelbau Martin Scholz aus Mönchengladbach, erklärt der zuständige Kirchenmusiker Michael Park. Eine kleine Orgelgeschichte und Auftakt für eine lose Folge von Beiträgen, die sich dem Instrument des Jahres 2021 widmen werden.

Die Begeisterung für „sein“ Instrument, die Woehl-Orgel, entströmt permanent jeder Faser von Michael Parks Herzen. Eigentlich sei er voreingenommen, bemerkt er beiläufig, aber die Honorierung sei folgerichtig, da jedes Instrument letztlich ja ein Unikat sei. Bei Orgeln gebe es halt selten Serienproduktion. Und auch die Reinigung des guten Stücks sei ein eher rares Phänomen, das lediglich alle 15 bis 20 Jahre vollzogen werde. Dann aber richtig, schließlich setze sich über die Jahre und Jahrzehnte Staub und auch Ruß von den Kerzen ab.

Zur Verdeutlichung bemühe sich Park stets um einen Vergleich, der nicht ganz treffend sei, aber helfe, eine Ahnung davon zu erhalten: „Können Sie sich vorstellen, wenn Sie 15 Jahre lang ihre Wohnung nicht putzen?“ Allein nach zwei Wochen könne man schon sehen, dass ein Putzen dringend nötig sei. Aber angesichts einer so langen Zeit „bekommen Sie so ein bisschen ein Gefühl dafür, wie es da oben drin dann aussieht“. Von Nahem sei bereits zu erkennen, dass am Metall eine schwärzliche Einfärbung entstehe. Diese beeinträchtige mittlerweile den Ton- und Klangcharakter der Orgel.

Gerade in einer Zeit, in der Musiker und Kirchenchöre nicht auftreten können und kulturelles Leben nicht stattfindet, sei es zudem eine Art Hoffnungszeichen und auch ein Signal. Außerdem gehöre neben dem Spielen auch die Pflege der Orgel zu seinen Aufgaben. Eigentlich sei er aber noch ein Frischling im Gegensatz zu seinem Vorgänger Hans-Wilhelm Hoff, der hier von 1960 bis 1999 gewirkt hat und in dessen Nachfolge Michael Park sich selbst auch sieht. Auf Hoffs Ära sei die kirchenmusikalische Tradition in Viersen mit Konzeption der Orgel maßgeblich zurückzuführen. Leider starb er im Dezember 2020 und konnte so die aktuelle Entwicklung nicht mehr miterleben. 
Dem Organisten Jehan Alain gewidmet

Konstruiert wurde die Kirchenorgel im Jahr 1984 von der Orgelbauwerkstätte Gerald Woehl aus Marburg. Sie besitzt 52 Register im französischen Stil, ist voll mechanisch und hat einen klaren und feierlichen Klang mit warmem und vollem Nachhall. Sie sei nicht auf bestimmte Epochen beschränkt, sondern ließe sich epochenübergreifend benutzen, betont Michael Park. „Die französischen Komponisten von der Barockzeit bis sicherlich weit ins 20. Jahrhundert kann man auf dieser Orgel gut darstellen.“ Gewidmet ist sie im Übrigen dem französischen Organisten Jehan Alain, der im jungen Alter im Zweiten Weltkrieg gefallen ist. Dessen Orgelwerke wurden denn auch für CD auf der Woehl-Orgel eingespielt.

Nach seiner Enstehung 1984 habe das Instrument im deutschsprachigen Raum ziemlich Furore gemacht, weil dort eine französisch-klassisch-sinfonische Orgel dieser Art noch relativ neu war, bekräftigt Park. Dies hat dazu geführt, dass über die Jahrzehnte bekannte Organisten in Viersen zu Gast waren, so Wolfgang Seifen, Organist an der Gedächtniskirche in Berlin, und Daniel Roth, Organist an Saint Sulpice in Paris. Auch Besuchergruppen, sogar aus Finnland, seien in die Stadt am Niederrhein gekommen, um sich die Orgel anzuschauen. Dadurch zeige sich, dass das Instrument nicht nur für die Gemeinde oder die Stadt, sondern sogar überregional, ja international bekannt ist.

Das liturgische Orgelspiel hat eine wichtige gestalterische Funktion im Gottesdienst 
„Der Klangcharakter von dieser Orgel ist so einzigartig, dass man das eigentlich gar nicht in Worte fassen kann“, unterstreicht Park. „Ich sage immer: ‚Wenn Sie einen guten Wein trinken, wie würden Sie den beschreiben?‘ Dann kann man das mit 100 Adjektiven ausdrücken, aber man muss es selber schmecken.“ Das sei bei der Orgel genauso. Mit ihr ließe sich auch die Atmosphäre eines Gottesdienstes ganz maßgeblich beeinflussen. „Das liturgische Orgelspiel hat eine wichtige gestalterische Funktion“, erklärt Michael Park. Dies werde zu einer Beerdigung oder einer Eheschließung besonders offenbar. Aber auch beim Gloria in der Osternacht scheinen die mannigfaltigen Klangfarben durch. „Dann merkt man, dass die Orgelmusik aktiv in die Dramaturgie eines Gottesdienstes eingreift.“

Welche Stücke er wohl am liebsten auf der Woehl-Orgel spielt? „Schwere Frage“, lacht Michael Park. „Obwohl es eine französische Orgel oder weil es eine französische Orgel ist – ich glaube, es gilt für beides – spiele ich gerne Werke von Johann Sebastian Bach. Überhaupt funktionieren barocke Komponisten exorbitant gut darauf, natürlich auch die französischen.“ Zudem inspiriere die Orgel ihn, auch Literatur zu spielen, die er bislang weniger im Blick habe. So spiele jeder Student ein oder zwei Werke von Jehan Alain, aber sonst kaum etwas aus seinem Œuvre. „Das lerne ich jetzt besser kennen.“ Dies sei das Interessante an seinem Beruf: „Diesen künstlerischen Horizont zu erweitern, und zwar ein Leben lang, und damit meine ich nicht nur in der Orgelmusik, sondern in allen Punkten.“

Auch die Orgelreinigung stünde in diesem Kontext. Die zweite Reinigung – 2006 wurde die erste ausgeführt – wird etwa zwei Monate dauern. Gestartet wird im Frühsommer. Im Hochsommer, also Juli oder August, seien die Arbeiten hoffentlich geschafft. Dazu wird die Orgel komplett zerlegt und hinterher wieder zusammengebaut, jede der über 3000 Pfeifen einzeln herausgenommen und gereinigt. Ein Riesenaufwand und eine gigantische Puzzlearbeit. Wenn die Corona-Lage es zulässt, würde zudem im September Olivier Penin, der Titularorganist von Sainte-Clotilde Paris eingeladen, um das Eröffnungskonzert zu spielen.

Interessant wird es für Park, sich dann zu dem Klang der frisch gesäuberten Orgel in die Komponistenwelten zu vertiefen. „Da freue ich mich schon drauf. Man könnte sagen: Die Orgel wird optisch in neuem Glanz erstrahlen, aber auch akustisch strahlen, wenn man so will.“ Die Unterschiede seien ja erst nach der Reinigung zu erkennen, „weil ich ja nur diesen Klang jetzt kenne“. 

Die Woehl-Orgel in St. Remigius Viersen

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