Eine Rose ist eine Rose …

Kunst-Installation von Caroline Lauscher mit gehäkelten Blumen im Dürener Muttergotteshäuschen

Der Pastor und die Häklerin: Ernst Stinkes und Caroline Lauscher  im Muttergotteshäuschen (c) Stephan Johnen
Der Pastor und die Häklerin: Ernst Stinkes und Caroline Lauscher im Muttergotteshäuschen
Datum:
5. Mai 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 18/2021 | Stephan Johnen

Wie über Nacht sind Hunderte Rosen im Dürener Muttergotteshäuschen erblüht. Befestigt an zwei langen Stoffbahnen ranken sie am Gnadenbild der Consolatrix Afflictorum (Trösterin der Betrübten) hinab zu Altar und Lesepult. Die gehäkelten Rosenblüten sind eine Installation der Künstlerin Caroline Lauscher. 

Viele Rosen zu Ehren von Maria. (c) Stephan Johnen
Viele Rosen zu Ehren von Maria.

Inspiriert vom Satz „Da haben die Dornen Rosen getragen“ aus dem Lied „Maria durch ein Dornwald ging“ legte sie im Marienmonat Mai den Grundstock für eine soziale Skulptur. Denn die Rosen sollen weiter austreiben, das Kunstwerk weiterwachsen und auch an anderen Orten erblühen. „Mit Hilfe vieler Teilnehmer möchte ich Ereignissen oder Orten gedenken, die Dornen waren und sind, um sie mit gehäkelten Rosen zu bedecken“, erklärt Caroline Lauscher die symbolische Verbindung von Vergangenheit und Heute, von Verletzung und Heilung. Die erste von vielen geplanten Installationen sind die „Dornen der Pandemie“ im Muttergotteshäuschen. Weitere Installationen sollen folgen – beispielsweise in einem Westwall-Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg oder in „Haus 5“ der LVR-Klinik Düren.

Zur Vorbereitung der Aktion hat die Künstlerin bereits vor einigen Wochen eine Anleitung zum Häkeln von Rosen ins Internet gestellt – und in kürzester Zeit mehr als 1000 Rosen aus ganz Deutschland geschickt bekommen. Alle, die in großer Fülle Rosen in unterschiedlichen Formen und Farben häkeln, werden damit Teil des wachsenden Projekts. Caroline Lauscher: „Im Vordergrund dieses Projekts steht ein prozesshaftes Entwickeln einer gemeinsamen Arbeit zu einem großen Ganzen. In dieser Solidarität der Mitwirkenden liegt eine große Wirkmächtigkeit.“

Gerade in der Zeit der Pandemie seien Menschen jeden Alters und jeder sozialen Schicht von den Auswirkungen betroffen. „Es ist ein tiefer Einschnitt in das Leben unserer Gesellschaft mit traumatischen Folgen, die angeschaut werden wollen“, sagt Caroline Lauscher. So finden sich zwischen den einzelnen Rosen Zettel mit Bitten, Klagen, niedergeschriebenen Sorgen und Nöten, die Besucher während der vergangenen Monate an eine Filzwand im Muttergotteshäuschen gepinnt hatten. Besucher sind eingeladen, diese Zettel ebenso zu erweitern wie den Rosenteppich. Verletzung und Heilung an einem Ort, der wie die Installation alle Menschen verbinden und ihnen Kraft und Zuversicht geben soll.

„Das diesjährige Wallfahrtsthema ‚Innehalten – Kraft schöpfen‘ passt sehr gut zur Kunstaktion von Frau Lauscher“, ist auch Pfarrer Ernst-Joachim Stinkes überzeugt, dass das Muttergotteshäuschen gerade in der Pandemie ein solcher Ort ist und sein sollte, um aus Dornen Rosen erblühen zu lassen. Auch oder selbst dann, wenn keine Präsenzgottesdienste stattfinden können. Bis Ende Oktober wird die Kapellenanlage aber täglich für Besucher geöffnet sein. 


Verkettung von Zufällen schafft die Idee

Entstanden ist die Idee zu dieser sozialen Skulptur im Herbst des vergangenen Jahres bei einem Spaziergang in der Eifel. Es war eine Verkettung von Zufällen. Das Lied „Maria durch ein Dornwald ging“ summt oder singt die Künstlerin regelmäßig bei Spaziergängen wie ein Mantra. Gehäkelte Rosen sind ihr schon vorher zufällig in die Hände gefallen. Aber erst als sie plötzlich mitten im Wald vor einem Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg stand, fügten sich die Puzzlesteine zusammen: „Genau das mache ich!“, dachte sich Caroline Lauscher und beschloss, mithilfe vieler Menschen in den Dornen der Geschichte wieder Rosen wachsen zu lassen.

„Ich habe an die Kriegszeit und die Zerstörung, die Unmenschlichkeit gedacht. Aber auch daran, dass aus dunklen Zeiten auch Gutes erwachsen kann“, sagt sie. Ihr war wichtig, dass von Anfang an möglichst viele Menschen an der Installation mitarbeiten können. Caroline Lauscher: „Die Pandemie ist ein Dorn der jetzigen Zeit. Viele leiden darunter, aber es gibt auch die Chance, dass etwas Neues erwachsen kann. Ob wir das wollen oder nicht: Bei uns muss eine Bewusstseinswandlung stattfinden.“ Die Pandemie als verlorene Zeit zu sehen, sei vermutlich der falsche Weg. Sie setzt darauf, die Zeit anders zu nutzen, gewonnene Zeit zu investieren, die Prioritäten zu überdenken.

Dass die Künstlerin so viele Zusendungen von Rosen aus der gesamten Republik, aber auch viele Zuschriften erhalten hat und weiterhin erhält, stimmt sie optimistisch. Alle Unterstützer sind an etwas Größerem beteiligt, sind miteinander verbunden – auch in Zeiten der Kontaktbeschränkungen. Bei jeder weiteren Installation wird sich auch die Zahl der Rosen erhöhen – und alle Rosen sollen eingeflochten und präsentiert werden. So erhält die soziale Skulptur durchaus auch eine organische Dimension.

Wer möchte, kann gerne weitere Rosen häkeln und ins Muttergotteshäuschen bringen oder der Künstlerin für weitere Installationen Rosen per Post senden. Wer Caroline Lauscher eine E-Mail schickt (carolinelauscher@web.de), erhält eine Anleitung und weitere Informationen zur Aktion. Bei Bedarf stellt die Künstlerin auch Wolle zur Verfügung.