Ein lichter Ort für das Leben

Kindertagesstätte San Pedro ist in die Kirchenräume von St. Bonifatius eingezogen

Pfarrer Hans-Otto von Danwitz und Kita-Leiterin Vanessa Clemens freuen sich über das neue Leben in St. Bonifatius. (c) Mira Otto
Pfarrer Hans-Otto von Danwitz und Kita-Leiterin Vanessa Clemens freuen sich über das neue Leben in St. Bonifatius.
Datum:
25. Aug. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 34/2021 | Mira Otto

„Wie findest du es denn hier?“ „Schön.“ „Was findest du denn schön?“ „Na, die Kita!“, sagt die fünfjährige Mariam, die gerade an einem kleinen Tisch ein Puzzle zusammensetzt und etwas ungläubig dreinschaut, weil sie gerade wirklich gefragt worden ist, was denn an ihrer Kindertagesstätte schön sei. 

Gottesdienste werden jeden Samstag in der Taufkapelle gefeiert. (c) Mira Otto
Gottesdienste werden jeden Samstag in der Taufkapelle gefeiert.

Seit knapp einem Monat ist die Kita San Pedro geöffnet. Nach dieser Zeit der Eingewöhnung findet diese Woche die offizielle Eröffnungsfeier statt. Das Besondere: Die Kinder sind mit den Erziehern in das Gebäude der ehemaligen Kirche St. Bonifatius im Dürener Osten gezogen.

77 Kinder tummeln sich in einer reinen U3-Gruppe, einer Gruppe für Kinder von zwei bis sechs Jahren und zwei Ü3-Gruppen von drei bis sechs Jahren. Bewegung, soziale Kompetenz und die Bedürfnisse der Kinder stehen bei der Einrichtung im Mittelpunkt. So ehemalig, wie es auf der Webseite der Pfarrei St. Lukas geschrieben steht, ist die Kirche auch als Ort des Gebets nebenbei nicht. Denn an Samstagen um 18.30 Uhr findet hier immer eine heilige Messe statt. Zeugnis dessen sind auch kleine Kerzen, die mit einer Bitte oder im Gedenken an einen lieben Menschen von den Gemeindemitgliedern entzündet wurden und mittlerweile erloschen, aber noch sichtbar sind. Der Bänke entledigt, entsteht im Kirchenschiff im Kita-Betrieb ein „Ort des Lebens“, wie Pfarrer Hans-Otto von Danwitz sagt. Denn die große Fläche ist dann der Spielraum der Kinder. Besonders schön ist dieser Platz wegen der raumhohen Kirchenfenster, die den Raum mit Licht durchfluten, und die kirchentypische hohe Decke.

Angeboten werden zahlreiche „Attraktionen“. Absolutes Highlight und auch bei den Kindern äußerst beliebt sind die Fahr- und Dreiräder, die zu jeder Jahreszeit und Wetterlage wohlbehütet genutzt werden können. Und pragmatisch ist es auch. Denn so lernen die Kinder die Verkehrsregeln durch aufgestellte Verkehrsschilder und kleine Ampeln in einem geschützten Raum kennen. Obwohl, um ganz ehrlich zu sein, es für die Kleinen wohl viel interessanter ist, von der hintersten Ecke des Kirchenraumes mit Vollgas in die Richtung des ehemaligen Altars zu pesen – teilweise auch schon ohne Stützräder und natürlich immer mit Helm. In einem durch Bodenmarkierungen abgetrennten Bereich gibt es andere, etwas ruhigere Spielmöglichkeiten wie beispielsweise Puppenhäuser. 

Raum für Generationen und Begegnung

Das Außengelände von St. Bonifatius in Düren-Ost wird derzeit noch für die Kinder gestaltet. (c) Mira Otto
Das Außengelände von St. Bonifatius in Düren-Ost wird derzeit noch für die Kinder gestaltet.

Dort, wo früher der Altar stand, ist jetzt die Küche. Die Kinder sollen bald durch ein Abstimmungssystem selbst entscheiden, was auf den Tisch kommt. „Wo früher das Brot und der Wein geteilt wurden, teilen jetzt die Kinder“, sagt Danwitz und weiter zu dem Umbau der Kirche St. Bonifatius: „Ich finde, das ist eine riesige Chance. In Düren-Ost ist ein großer Bedarf an Kitaplätzen, und wir haben gemerkt, dass der Kirchenraum zu groß ist. So können wir die Kirche erhalten, und mit dem Gottesdienst läuten auch die Glocken weiter.“

Auch die Taufkirche ist noch erhalten. Hinter einer Glastüre können die Kinder vom Kirchenschiff aus eine Statue Jesu sehen. Gegenpol zu dem Raum zum Toben ist der Meditations- und Schlafraum. Auch hier tut das alte Gebäude sein Gutes, denn die Kirchenfenster sind in einem tiefen Blau. Das Licht ist gedämpft, durch die Glastüren, die das Kirchenschiff umgeben, kommt kein Ton. Es ist ruhig.

Nebenbei gibt es vieles zu entdecken. Einen Verkleidungsraum beispielsweise, in dem die Kinder mit Hilfe der Requisiten wie Feuerwehrhelmen und alten Schuhen in andere Rollen schlüpfen können. Regelmäßig zweckentfremdet wird hier eine Wurstkette aus Plastik. Über den Kopf gehängt, ist die lange Schnur das Symbol für Rapunzel geworden. Die Kinder haben Spaß. In der U3-Gruppe ist an der Wand eine Miniaturversion eines Ballettspiegels angebracht. An der Stange können sich die Kinder hochziehen und so die ersten Schritte machen.

Bagger bringen gerade das Außengelände in Form. Mit mehreren Hügeln und unterschiedlichen Bodenbelägen wie Sand und Rindenmulch soll hier ein Erlebnisraum für die Kinder entstehen.

Die Einrichtungsleitung, Vanessa Clemens, plant noch mehr: Die Kita soll innerhalb von „Brückenprojekten“ mit der Zeit ein Ort für alle Generationen werden. „Nach Corona soll hier ein Ort der Begegnung entstehen. Dann wollen wir hier Lesenachmittage, Elternabende oder internationales Kochen machen.“ Darüber hinaus sollen ab September auch ein Ergotherapeut und ein Logopäde den Kindern helfend zu Seite stehen.

Blick in die „Geschichtsbücher“

Das viertelprägende Gotteshaus steht seit 1952 in Düren-Ost. Es hat eine wechselvolle Geschichte. (c) Dorothée Schenk

Schon in den 1920er Jahren entstand auf Initiative eines Kirchbauvereins „An St. Bonifatius“ ein Gotteshaus. Die Erhebung zur Pfarre St. Josef erfolgte 1923 und sollte  bis zur Fusion zur Pfarrei St. Lukas am 1. Januar 2010 Bestand haben. 

Die Kirche fiel im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges. Im Juli vor 60 Jahren erfolgte der Spatenstich für den Neubau, der nach Plänen des Würzburger Architekten Albert Boßlet bis 11. Mai 1952 ausgeführt wurde. Stadtbildprägend sind der seitlich das Kirchenschiff flankierende hochaufragende Turm und die klar gegliederte Fassade mit den drei Portalen. 
Im Zuge des KIM-Prozesses war nach Gründung der Innenstadt-Pfarrei klar, dass Kirchen aus der Finanzierung des Bistums fallen würden – unter anderem  St. Bonifatius. In einer ersten Idee wurde im November 2012 von Kirchenvorstand und Pfarreirat St. Lukas beschlossen, dass die Kirche im Besitz der Pfarrei bleiben sollte, aber beim Erhalt des Baukubus Wohnungen für betreutes Wohnen entstehen sollten. Ein Teil der Kirche sollte als Sakralraum erhalten bleiben. Es formierte sich Widerstand bei Gemeindemitgliedern, ein Förderverein wurde gegründet. In der Kirche fand 2013 eine Präsentation der Ideen statt. Zur Umsetzung kamen diese Pläne nicht.

Dem Ansinnen, in den Wintermonaten 2014 dem Skaterpark an der Brüsseler Straße „Unterschlupf“ zu gewähren, erteilte die Pfarrei eine Absage. Im Folgejahr wurde die Idee entwickelt, dass im Kirchengebäude  als „Haus im Haus“ vier Kindergartengruppen eingerichtet werden sollten. Für letztlich 2,1 Millionen Euro erfolgte ab August 2018 der Umbau zur Kindertagesstätte „San Pedro“. Die Hauptlast der Kosten trug die Stadt Düren. Der Dürener Architekt Marcus Laufenberg setzte die Entwurfsplanung des Düsseldorfer Architektenbüros Heerich & Schmitz um.  Der letzte Gottesdienst fand am 7. Januar 2017 statt. In diesem wurde die Kirche säkularisiert.  tee