Die Kraft-Geberin

Porträt einer Trauerbegleiterin

Die Kraftgeberin (c) Kathrin Albrecht
Die Kraftgeberin
Datum:
23. Aug. 2016
Von:
Kathrin Albrecht
„Die Betrübten trösten“ ist eines der geistlichen Werke der Barmherzigkeit. Marie- Maximiliane Bemfert tut dies seit zweieinhalb Jahren im Trauerprojekt „Diesseits“, getragen von der Pfarrei Franziska von Aachen. Dort arbeitet sie mit jungen Erwachsenen.
Die Kraftgeberin (c) Kathrin Albrecht
Die Kraftgeberin

Die Kerzen sind wichtige Utensilien: In der Sitzung zündet jeder Teilnehmer zu Beginn eine Kerze an und holt auf diese Weise symbolisch die Verstorbenen in die Mitte. Regelmäßig bietet „Diesseits" in der Pontstraße einen Ort, in dem Raum ist für die Trauer, die im Alltag oft keinen Platz findet. Marie-Maximiliane Bemfert ist über ein Praktikum zum Trauerprojekt
gekommen, hat zunächst mit Kindern gearbeitet. Aktuell betreut sie zwei Gruppen der jungen Erwachsenen ab 20 Jahren.

„Es war für mich anfangs ein Wagnis, mit Gleichaltrigen zusammenzuarbeiten, aber ich bin freundlich aufgenommen worden", erzählt die 27-Jährige, die in Aachen Theologie studiert hat und jetzt als Lehrerin für katholische Religion an einem Aachener Gymnasium unterrichtet. Lange habe sie nach einem Ehrenamt gesucht, erzählt sie: „Hier hat es sofort gepasst."

Für sie eine Möglichkeit, das eigene christliche Menschenbild zu leben

In der Aufgabe, Trost zu spenden und den Trauernden einen Weg zu eröffnen, wie sie gestärkt die Trauer bewältigen, sieht Bemfert auch eine persönliche Bereicherung: „'Diesseits' gibt mir die Möglichkeit, mein christliches Menschenbild zu leben." Dabei ist die Art der Begleitung je nach Alter sehr unterschiedlich: „Kinder sind haptischer und versuchen, kreativ ihrer  Trauer Ausdruck zu geben. Sie basteln oder malen viel. In der Gruppe mit den jungen Erwachsenen versuchen die Teilnehmer über Gespräche mit ihrer Trauer umzugehen. Oft fühlen sie sich von ihrem Umfeld nicht verstanden. Darüber zu reden, das Gefühl, mit seiner Trauer angenommen zu sein, tut gut."

Einmal im Monat trifft sich die Gruppe, insgesamt achtmal. „Das Schöne an dieser Arbeit ist, dass man Menschen sehr nahe kommt. Die Teilnehmer öffnen sich sehr, tauschen sich untereinander aus."

Ganz unterschiedliche Themen kommen dabei zur Sprache: Tod, die Beerdigung des Verstorbenen, eigene Jenseitsvorstellungen oder Erinnerungen an den Verstorbenen. „Da gibt es Momente, wo man selbst sehr ergriffen ist", erzählt Bemfert. Auch Tränen fließen da manchmal. Aber das ist so gewollt: „'Sprich aus dem Herzen' lautet die Regel bei uns."

Damit die Trauerbegleiter Abstand zu den Erfahrungen der Trauernden behalten können, treffen sich die Mitarbeiter von Diesseits regelmäßig zur Supervision. Außerdem helfe ihr das familiäre Umfeld dabei, die Geschichten nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen, sagt Bemfert: „Ich weiß, dass ich an einen Punkt zurückkomme. Ich habe nicht das Gefühl, mir liegt etwas auf der Seele." Diese positive Energie gibt sie an ihre Gruppe weiter. Jedes Treffen soll positiv ausklingen. „Wir schauen gemeinsam, wo liegen die Kraftquellen, was tut mir gerade gut?" Über die Treffen hinaus entstehen zwischen den Trauernden Freundschaften. „Es ist schön mitzuerleben, dass aus einem Moment der Trauer etwas Schönes erwächst",
sagt Marie-Maximiliane Bemfert. Diese Erlebnisse geben auch ihr Kraft.