Das  Rad der Zeit

Pfarrei Heilig Geist Jülich hat ihre erste Kirche verkauft: St. Rochus wird künftig ein Fahrradgeschäft

St. Rochus wurde 1961 nach Plänen des Kölner Architekten Gottfried Böhm erbaut. (c) Dorothée Schenk
St. Rochus wurde 1961 nach Plänen des Kölner Architekten Gottfried Böhm erbaut.
Datum:
18. Okt. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 42/2022 | Dorothée Schenk

„Es bleibt alles so, wie es ist!“ Das ist die Aussage von Thomas Oellers. Der Geschäftsmann, der seit 30 Jahren ein Fahrradgeschäft betreibt, ist ab 1. Januar 2023  Besitzer der Kirche St. Rochus im Jülicher Heckfeld. „Es ist ein großer Einschnitt“, sagt Pfarrvikar Konny Keutmann, der vor 20 Jahren als Pfarrer in „Rochus“ seinen Dienst aufnahm. „Grundsätzlich tut es weh“, sagt Bernd Stenmans, Leiter des Fachbereichs Bauen und Denkmalpflege im Bistum Aachen.  

Thomas Oellers hat die Kirche gekauft und wird hier sein Fahrradgeschäft eröffnen. (c) Dorothée Schenk
Thomas Oellers hat die Kirche gekauft und wird hier sein Fahrradgeschäft eröffnen.

Möglichst alle Belange in den Blick zu nehmen, darin sieht Thomas Surma, Kirchenvorstand der Pfarrei Heilig Geist, die wichtigste Aufgabe im sensiblen Thema des Kirchenverkaufs. „Kirchen zukunftsfähig aufzustellen, alles abzuwägen, ist ein schwieriges Geschäft“, sagt auch Bernd Stenmans. 15 Kirchtürme nennt die Jülicher Pfarrei jetzt noch ihr eigen. Elf stehen weiter zur Disposition (siehe KiZ, Ausgabe 35). In Surmas Hand laufen auf der Seite der Pfarrei die Fäden zusammen.

Tatsächlich war es Surma, der den Kontakt zu „Tom’s Bike Center“ aufgenommen hat. „Thomas Surma kannte meine Platznot. Er hat mir sogar schon mal seine Garage als Lagerraum zur Verfügung gestellt“, erzählt Kirchenkäufer Oellers schmunzelnd. Aber als jener im Frühjahr 2021 auf ihn mit der Frage „Willst Du eine Kirche kaufen?“ zugekommen sei, war das zunächst eine unvorstellbare Option.

Thomas Oellers ist ein „Kind des Viertels“. Seine Eltern führten an der Heckfeldstraße 46 einen Lebensmittelladen mit Bäckerei, in dem der Geschäftsmann bis heute sein Fahrradgeschäft betreibt. St. Rochus, das ist die Kirche, in der er getauft wurde, zur Kommunion und Firmung ging, deren Sonntagsglocken zur Messe rufen. Darum ist es ihm auch so wichtig, dass grundsätzlich alles bleibt, wie es ist – zumindest nach außen hin.

Das Altarmosaik des belgischen Künstlers Peter Hodiamont wird keinen Platz mehr in den neuen Geschäftsräumen haben. (c) Dorothée Schenk
Das Altarmosaik des belgischen Künstlers Peter Hodiamont wird keinen Platz mehr in den neuen Geschäftsräumen haben.

Nach eigenem Bekenntnis wird kein Reklameschild an die Kirchentüre oder Mauer angebracht. „Das Maximum an Reklame wäre, dass ich den Lieferwagen beklebe und vor der Türe parke.“ Und der Schaukasten, bislang als „Rochus-Fenster“ bekannt, soll zum bewegten Schaufenster werden: Per Video will Thomas Oellers zeigen, was im Kircheninnern zu sehen ist: Fahrräder.  Das „Rochusheim“ bleibt als Versammlungsstätte im Besitz der Pfarrei, ebenso wie die Wohngebäude. Die Werktagskapelle steht der Gemeinde für Gottesdienste zur Verfügung. Im November wird ein gepflasterter Zuweg gelegt. Es ist Thomas Oellers wichtig, dass die Menschen im Heckfeld das Gefühl behalten, dass das Glaubensleben nicht aus dem Viertel entschwindet. 

Derzeit werden für die Kirchenbänke Käufer gesucht, und die „Sakristei“ zieht ins benachbarte Rochusheim um. Oellers plant, im Kirchenraum für die Werktagskapelle eine „Quasi-Sakristei“ aus Milchglaswänden einzurichten, damit der Priester sich dort vorbereiten und umziehen kann. In die Sakristei selbst werden ab Januar drei Werkstattplätze einziehen. Genau an diesen Ort, weil es einen Seiteneingang gibt, über den die reparaturbedürftigen Zweiräder „angeliefert“ werden können und damit nicht durch den Kirchenraum fahren müssen.

Die Werktagskapelle bleibt für Gottesdienste erhalten und ist dann über einen separaten Zugang zu betreten. (c) Dorothée Schenk
Die Werktagskapelle bleibt für Gottesdienste erhalten und ist dann über einen separaten Zugang zu betreten.

Mit dieser Sensibilität, so Kirchenvorstand Thomas Surma, habe Thomas Oellers letztlich alle überzeugt: die Gremien vor Ort, die Denkmalbehörde(n), Paul Böhm, Sohn des Architekten Gottfried Böhm und damit Entscheider über das „geistige Eigentum“, sowie den Priesterrat und den Bischof. Die Entwidmungsurkunde liegt bereits unterschrieben vor, bestätigt Surma. Der Notarvertrag ist unterzeichnet. Und was kostet eine Kirche? Darüber bewahren beide Vertragspartner Stillschweigen.

Unklar ist noch, wie mit dem Altar und dem Weihwasserbecken verfahren wird. Auch sie hat Gottfried Böhm entworfen. Während nach Vorstellung der Pfarrei – und Bestätigung der Unbedenklichkeit durch einen Steinmetz – das Weihwasserbecken vor der Werktagskapelle Aufstellung finden soll, könnte der Altar „formschön der Kapelle“ angepasst werden. Hier laufen die Gespräche noch. Die Orgel könnte, so erklärt Bernd Stenmans, eventuell in die Ukraine verkauft werden. Dafür hat die Pfarrei aber ein Jahr Zeit.

Klar ist, dass am 20. November in St. Rochus eine Messe gefeiert wird – mit anschließendem Empfang, um die Kirche „auf den neuen Weg“ zu bringen. Die letzte Messe wird dann wohl am 25. Dezember zu Weihnachten begangen.