Das Gefühl ist entscheidend

Warum zwei Männer ihre Liebe bei der Aktion #liebegewinnt nicht haben segnen lassen

Paul Breuer (l.) und sein Mann Peter Breuer-Tervooren haben sich trotz ihres Glaubens gegen die Segnung entschieden. (c) Andreas Baum
Paul Breuer (l.) und sein Mann Peter Breuer-Tervooren haben sich trotz ihres Glaubens gegen die Segnung entschieden.
Datum:
18. Mai 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 20/2021 | Garnet Manecke

Seit 31 Jahren sind Peter Breuer-Tervooren und Paul Breuer ein Paar. Die beiden haben 2017 geheiratet und hatten sich schon 2001 verpartnert. Obwohl sich Peter den Segen für ihre Liebe wünscht, haben sie sich bei der Aktion #liebegewinnt nicht segnen lassen. 

 


Als Peter Breuer-Tervooren (62) und Paul Breuer (69) geboren wurden, war die Gesellschaft geprägt von strengen  Moralvorstellungen. Männern, die sich zu ihrer Liebe zueinander bekannten, drohte das Gefängnis. In vielen Familien war Gesetz, was die Kirche sagte. „Wir sind beide katholisch sozialisiert und gläubig“, sagt Peter Breuer-Tervooren. Dennoch haben sich die beiden beim Gottesdienst #liebegewinnt nicht segnen lassen.

Die Gründe sind vielschichtig. „Grundsätzlich würden wir uns segnen lassen, aber nicht in dieser Form“, sagt Paul Breuer. „Wir haben lange darüber gesprochen“, sagt sein Mann. Dass sie zu dem Gottesdienst gekommen sind, ist ein Akt der Solidarität gegenüber den Paaren, die sich einen Segen gewünscht hatten. Die beiden wollten, dass die Segensfeier keine einsame Veranstaltung wird, bei der den Paaren vielleicht noch deutlicher werde, dass sie in der katholischen Kirche nicht erwünscht seien. „Wir sind da, um der Segensfeier eine Basis zu geben und eine Gemeinde zu sein“, sagt Peter Breuer-Tervooren. „Wir sind nicht aus Protest hier, sondern um ein Zeichen zu setzen.“

Dabei könnte man durchaus verstehen, wenn das Paar aus Protest erschienen wäre. Ihre Beziehung zur katholischen Kirche ist zumindest kompliziert. „Ich würde mich als praktizierenden Katholiken bezeichnen“, sagt Peter Breuer-Tervooren. „Religion spielt eine wichtige Rolle in meinem Leben. Wir kommen beide aus katholischen Familien.“ Auch für seinen Ehemann Paul Breuer ist klar, dass er Katholik ist. „Obwohl Ratzinger damals die katholischen Standesbeamten angewiesen hat, die Verpartnerung gleichgeschlechtlicher Paare zu verweigern“, sagt er. 2003 hat Joseph Ratzinger, damals noch Kardinal und Leiter der Glaubenskongregation in Rom, diese Position des Vatikans bekräftigt. Er forderte deutsche Politiker dazu auf, diese „zutiefst unmoralischen“ Beziehungen nicht zu unterstützen und die Gesetzgebung entsprechend zu verändern.

Für Paul Breuer und seinen Mann Peter war das der Moment, in dem sie sich von der Kirche lossagten. Zu tief war die Verletzung. „Wir haben beide entschieden, aus der katholischen Kirche auszutreten“, erzählt der 69-Jährige. Beide sagen, dass sie die Gemeinschaft brauchen. Peter Breuer-Tervooren ist deshalb 2015 wieder in die Kirche eingetreten. „Ich brauche die Bindung, um zu sagen: ,Ich gehöre dazu‘“, sagt er. „Ich bin davon überzeugt, dass sich die Kirche ändern wird. Was hier passiert, macht mir Mut.“ Auch der Gottesdienst sei ihm wichtig. Ein Austritt sei für ihn keine Option mehr.

Für seinen Mann Paul sieht die Sache anders aus. „Ich habe nicht die Kraft gefunden, wieder einzutreten“, sagt er. Ob er diesen Schritt nochmal gehen kann, hängt davon ab, ob und wie sich die Position der Kirche zu Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben, verändert. Würde sich das Paar dann auch segnen lassen? „Grundsätzlich ja“, sagt Paul Breuer. „Aber eher in einer traditionellen Gottesdienstform, die ein bisschen mehr an den römischen Ritus angedockt ist“, ergänzt Peter Breuer-Tervooren. Den Gottesdienst #liebegewinnt haben sie trotzdem als bereichernd empfunden. „Obwohl wir uns nicht haben segnen lassen, fühlen wir uns gesegnet.“    

Warum zwei Frauen ihre Liebe haben segnen lassen – obwohl sie sich als kirchenfern sehen

Karin Hlwaka (l.) und Stephanie Porucki haben sich bei der Aktion #liebegewinnt segnen lassen. (c) Andreas Baum
Karin Hlwaka (l.) und Stephanie Porucki haben sich bei der Aktion #liebegewinnt segnen lassen.

Dass sich Karin Hlawka und Stephanie Porucki ausgerechnet während der Corona-Pandemie gefunden haben, ist für das Paar ein Wunder. Obwohl sie sich selbst als kirchenfern bezeichnen, war es ihnen ein Anliegen, ihre Beziehung bei der Aktion #liebegewinnt segnen zu lassen. 

 

Natürlich wissen Karin Hlawka und Stephanie Porucki, dass ihre Verliebtheit nicht ewig anhält. Die Schmetterlinge im Bauch werden vermutlich eines Tages ruhiger flattern, als sie es derzeit tun. Wenn dieser Zeitpunkt kommt und das flatterhafte Gefühl weicht, wird sie das Band der Liebe miteinander verbinden. Da sind sich die beiden Frauen ganz sicher. „Wir wollen miteinander alt werden“, sagt Stephanie Porucki. Mit ihren 51 Jahren hat sie schon einiges erlebt – auch in der Liebe. Genau wie ihre Partnerin Karin Hlawka (54), mit der sie seit einem Jahr zusammen ist.

Ihre Liebe ist für die beiden Frauen ein doppeltes Wunder: Zum einen, weil sie sich überhaupt gefunden haben. Zum anderen, weil sie während der Pandemie, also in einer Zeit der Isolation und des Abstands, zusammengekommen sind. „Es ist eine göttliche Fügung, dass wir uns in Zeiten von Corona überhaupt getroffen haben“, sagt Porucki. „Das ist so ähnlich wie bei einem Schiff auf hoher See, das in einen Sturm gerät und trotz der hohen Wellen gerettet wird. Wir sind gereift und haben schon einiges erlebt. Jetzt haben wir den Menschen gefunden, mit dem wir unser Leben teilen wollen. Das muss gesegnet werden.“

Aber es ist nicht nur die Liebe, die das Paar veranlasst hat, sich von Christoph Simonsen in der Citykirche Mönchengladbach segnen zu lassen. „Mir ging es auch darum zu sagen: ,Seht her, es ist langsam Zeit für ein Umdenken – egal, was die in Rom sagen‘“, sagt Hlawka. „Der Mensch sollte im Fokus stehen – unabhängig davon, wer wen liebt.“
Obwohl sich beide als kirchenfern einordnen, war ihnen der Segen in diesem Rahmen wichtig. Als gläubige Menschen sehen sich die beiden Frauen durchaus. „Ich glaube an eine göttliche, universelle Macht“, sagt Porucki. „Ob die nun männlich oder weiblich ist, sei dahin gestellt. Ich bin nicht so die Kirchgängerin, aber ich habe in meinem Bekanntenkreis einige Menschen, die der Kirche sehr eng verbunden sind. Mit ihnen zu diskutieren, finde ich immer sehr interessant. Vielleicht bringen Menschen wie Christoph (Simonsen, Anm. d. Red.) andere auch wieder dazu, eine Beziehung zur Kirche zu finden.“ Wenn man sich mit den beiden Frauen unterhält, wird sehr schnell klar, dass es ihnen vor allem auf die Menschen vor Ort ankommt.

Mit der Segnung haben sie die Einladung der Aktion #liebegewinnt angenommen, in die Gemeinschaft zu kommen. So erklären sie auch, warum sie sich in einem Kirchenraum während eines Gottesdienstes segnen lassen wollten – obwohl die Kirche ihre Lebensform ablehnt und ihnen viele Türen verschließt. „Es geht nicht darum, was im Vatikan beschlossen wird. Davon möchte ich mich distanzieren“, sagt Hlawka. „Es geht darum, wie die Menschen vor Ort handeln.“

Die Botschaft, die mit dem Segen verbunden ist, zur Gemeinschaft dazuzugehören, sei der wesentliche Kern. „Der Gemeinschaftsgedanke ist ja schon da“, sagt Porucki. „Und während Corona hat man gesehen, wie wichtig es ist, eine Gemeinschaft zu haben.“ Solange es vor Ort Menschen gebe, bei denen sie sich willkommen fühlten, könnte auch Kirche für sie ein Ort des Glaubens sein, darin sind sich die beiden Frauen einig. Einen Glauben haben sie, und der schließt alle Menschen ein, die in ihrer Liebe miteinander verbunden sind. Egal, welche Lebensform sie dafür wählen.