Das „Beier-Team“ aus Arnoldsweiler

Wie drei junge Christen eine alte Tradition neu belebten

Die Arnoldsweiler Beiermänner im Glockenturm der Kirche Groß St. Arnold (v.l.): Etienne Voßen, Kilian Inden und Felix Hoffmann. (c) Andreas Drouve
Die Arnoldsweiler Beiermänner im Glockenturm der Kirche Groß St. Arnold (v.l.): Etienne Voßen, Kilian Inden und Felix Hoffmann.
Datum:
7. Juli 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 27/2021 | Andreas Drouve

Das Wort steht sogar im Duden und definiert sich als „mit dem Klöppel läuten“: beiern. In Arnoldsweiler hatte das Beiern eine lange Tradition, bevor es vorübergehend ausstarb und jetzt während der Corona-Krise von drei jungen Christen aufs Neue entdeckt wurde. Seitdem wird an hohen Festtagen vom Glockenturm der Kirche Groß St. Arnold wieder gebeiert.

Die drei schreckt nichts ab. Weder die Spinnweben an der Wendeltreppe, die 
bei der sogenannten Geräte-Sakristei beginnt, noch die finalen Aufstiegspassagen auf wackligen Leitern. Weder ein Vogelkadaver, der in einer Ecke liegt, noch der Wind, der in 30 Metern Höhe durch die Ritzen des Glockenturms der Kirche Groß St. Arnold pfeift. Dort oben stehen sie auf dem Holzbretterboden im Neonlicht und haben andere Töne im Sinn: Sie wollen beiern. Die drei, das sind Arnoldsweiler Freunde seit Kindergarten- und Schulzeiten: Kilian Inden (26, heute Stadtplaner), Felix Hoffmann (24, Student der Humanmedizin in Düsseldorf) und Etienne Voßen (26, Polizist in Köln).

Initiator der Neubelebung der alten Tradition war Kilian Inden, der von Vater Karl-Heinz und Oma Margret wusste, dass in seinem Heimatort gebeiert wurde. Beiern, klärt er detaillierter auf, „ist das Anschlagen der Glocken in bestimmten Rhythmen und Melodien mit dem Klöppel, der Vorläufer des Glockenspiels“. Anlass geben hohe Festtage.

Die Idee kam im vergangenen Corona-Jahr, um die Arnoldusoktav im Juli ein- und auszuläuten, besser gesagt: ein- und auszubeiern. Zum Auftakt und am Ende, statt der ausgefallenen Prozession, erklang buchstäblich Freude. Für Inden hatte es keine große Überzeugungsarbeit gebraucht, um seine Kumpel dafür zu begeistern – die waren gleich Feuer und Flamme. „Bis dahin kannten wir Beiern selber nicht“, räumt Etienne Voßen ein. Kundig machten sie sich mittels Videos auf Youtube. Zur „Bestandsaufnahme“, sagt Inden, gingen sie „einen Abend auf den Turm“, wo Arnoldsweilers letzter Beierer Matthias Esser vor Jahrzehnten funktionstüchtige Vorrichtungen hinterließ. 


Vier Glocken stehen zur Verfügung

„So schwer kann das nicht sein“, befand Kilian Inden vor der Wiederaufnahme des Beierns. Gefragt ist allerdings ein musikalisches Grundverständnis. Das steckt in den dreien drin. Inden hat Keyboard und Orgel gelernt, Hoffmann Schlagzeug und Klavier, Voßen ebenfalls Keyboard.

Die Arbeitsteilung im Turm ist klar: Zu dritt müssen sie vier Glocken spielen. „Eine luxuriöse Situation“, befindet Voßen, denn dem Vernehmen nach spielte Vorgänger Esser drei Glocken allein. Diesem ist eine in Eigenbau konzipierte Hebel-Seilvorrichtung zu verdanken, die für zwei Glocken zum Einsatz kommt. Für die beiden anderen Glocken dienen einfache Seile, die für den Anschlag mit dem Klöppel verbunden und am Gebälk befestigt sind. „Im Baumarkt haben wir ein paar Meter Seil geholt und danach ausprobiert“, erinnert sich Felix Hoffmann ans letzte Jahr und eine Investition von etwa 20 Euro. Die Seile „zentimetergenau“ auf die richtige Länge zu knoten, um die Klöppel festzubinden und letztlich in Gang zu setzen, sei „eine Tüftelei“ gewesen.

Vier Glocken lassen keine riesige Bandbreite an Klangfarben zu: nämlich genau vier Töne, bei denen es natürlich wichtig ist, dass jeder sie zum richtigen Zeitpunkt spielt. Das Trio hat mittlerweile ein Repertoire aus mehreren Melodien zusammengestellt, darunter „Gloria in excelsis Deo“, „Lobet den Herren“ und „Freu dich, du Himmelskönigin“. Jedes Stück dauert etwa zwei Minuten und wird gewöhnlich wiederholt. So kommen die „Beiermänner“ – ein Begriff, der nicht im Duden steht – auf eine halbe Stunde Spiel inklusive kurzer Pausen. Jeder kennt seinen Einsatz. Ohne Skript. Ohne Noten. „Wir haben den Anspruch, dass es in sich schlüssig ist“, bekräftigt Hoffmann. 


Engagement für die Kirche

Muss man gläubig sein, um zu beiern? „Wir haben mit der Kirche viel am Hut“, antwortet Hoffmann, das sei bei ihnen nicht zu trennen. Schließlich waren sie früher alle Messdiener und gingen gemeinsam auf Trier-Wallfahrt, da hätten sie „viele schöne Momente gehabt“. Und wer auf einen Turm steigt, um geistliche Melodien zu spielen, die andere erfreuen, beweist auf musikalische Weise Engagement für die Kirche und Nächstenliebe. 
Es ist sicher auch eine Art, etwas zurückzugeben. Inden ergänzt: „Die Leute meckern oft, was es alles nicht mehr gibt. Es muss aber nicht alles wegsterben.“

Die bisherigen Auftritte waren volle Erfolge. „Das kam gut an bei den Älteren, die das noch kannten“, blickt Inden in die junge Vergangenheit des wieder belebten Spiels zurück.
Falls die drei etwas Neues einstudieren, binden sie Handtücher an die Klöppel, damit es so minimal wie möglich nach außen dringt. „Es soll ja eine Überraschung werden“, sagt Voßen. Bei den Festtagen will sich das „Beier-Team“ vorläufig auf Ostern, die Arnoldusoktav und Weihnachten beschränken. „Sonst ist es irgendwann nichts Besonderes mehr“, stellt Kilian Inden fest.