Botschaft ohne Worte

21. Weltkrippenkongress spiegelte Vielfalt der Handwerkskunst und des Glaubens

„Ideen mit den Augen klauen“, nennt es Brigitte Goebele schmunzelnd. Viele Krippenbauer nutzen die Gelegenheit, sich zu eigenen Arbeiten inspirieren zu lassen. (c) Dorothée Schenk
„Ideen mit den Augen klauen“, nennt es Brigitte Goebele schmunzelnd. Viele Krippenbauer nutzen die Gelegenheit, sich zu eigenen Arbeiten inspirieren zu lassen.
Datum:
21. Jan. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 04/2020 | Dorothée Schenk

Die Botschaft wird auf den ersten Blick verstanden: Das Kind in der Krippe ist der Weltenretter. Es bedarf keiner Worte. Krippenbauer sind im besten Sinne Handwerker, die eine Mission haben. Sie manifestiert sich schon im Gruß der Krippenbauer: Gloria et Pax. Oft war er zum Weltkrippenkongress in der Domstadt Aachen zu hören. Das Leitmotiv 2020: „Krippe verbindet“.

Das Motto lässt viele Deutungsmomente zu und ist auch im Wortsinn zu verstehen: Erstmals war es nicht nur ein Treffen der Nationen, der Weltkrippenkongress überschritt Grenzen. Euregional war die Organisation, die von den Rurdorfer Krippenfreunden, dem Verein „Vrienden van der Kerstgroep“ aus den Niederlanden und dem Verband der Krippenfreunde Belgiens übernommen worden war.   

 

>>Krippe verbindet Nationen

450 Teilnehmer aus 16 Nationen sind nach Aachen gekommen. Brigitte Goebele hat jeden einzelnen in Empfang genommen. Die Ehefrau des Präsidenten des  21. Weltkrippenkongresses, Wolfgang Goebele, hatte unter anderem die Anmeldung und Organisation von Hotels übernommen. Sie begrüßte im Infopunkt in der Citykirche eine Krippenbauerin, die aus Argentinien angereist war, „vier Teilnehmer aus Brasilien, acht aus den USA, je 40 aus Malta und Spanien, auch 30 aus Italien“, zählt sie auf. Auch für eine 90 Jahre alte Dame aus der Schweiz, die am Freitagabend nach Kongressbeginn ohne Hotel und Anmeldung vor ihr stand, fand Brigitte Goebele noch ein Bett und einen Platz in einem der acht Busse, die sich auf Euregio-Tour nach Maastricht und Monschau, Rurdorf und Lüttich machten, und selbstverständlich änderte sie die Sitzordnung für das Galadiner im Krönungssaal zu Aachen, damit für die Schweizerin auch noch ein Gedeck aufgelegt werden konnte.   

 

>>Krippe verbindet Gemeinden

Die Gelegenheit des Krippenkongresses nutzten 440 ehrenamtliche Krippenbauer aus vielen Gemeinden der acht Regionen und kamen auf Einladung des Bistums zusammen. Ralph Hoevel vom Bistum Aachen begrüßte sie als wichtige Botschafter und Verkünder der frohen Botschaft. Aus Untermaubach waren Küsterin Trude Vieß und Ehepaar Offergeld gekommen. „Krippe“ ist für sie Gemeinschaft in der der Gemeinde, verbindet Frauen und Männer. „Ich freue mich jedes Jahr drauf“, sagt Vieß. Während die Männer die schweren Felsen und Aufbauten vom Speicher holen, sorgen die Frauen für Moos, Sand und Steine, mit der die Krippe möglichst naturgetreu ausgestattet wird. Kaffee und Kuchen gehören dazu, „und einen Schnaps gibt es immer“. „Krippe verbindet mich mit einem Stück Heimat“, ergänzt Hans Offergeld. „Ich werde dann ein bisschen in die Kindheit zurückversetzt.“  Krippe verbindet Familien „Die Kinder bringen die Tradition wieder in die Familie zurück“, ist Brigitte Goebeles Erfahrung. Sie koordiniert auch die Kinderkrippenbaukurse in Rurdorf. Eltern, die sonst nie etwas mit Krippen zu tun gehabt hätten, interessierten sich wieder. Und: Kinder werben Kinder…  

 

>>Krippe verbindet Kreative

Nils ist mit seinem Vater Udo Nelessen und Gottfried Reuter in St. Martinus Schlich-D’horn aktiv. Krippenbau ist Familientradition. „Das Aufbauen macht einfach Spaß“, sagt der Jugendliche, der als Messdiener in der Gemeinde aktiv ist. Was sie mit der Krippe verbinden? „Kreativität“ ist die übereinstimmende Meinung. Und tatsächlich ist die Vielfalt überwältigend. Holz, Stein, Stroh, Metall… Die Weltkrippen aus Afrika, Asien und Lateinamerika bei Missio in der Annastraße sind von Fingerkuppengröße bis Schrankformat, vonWindlicht bis Steinskulptur ein Magnet. Nebenan in der Jakobstraße die besonderen Wachskrippen bei den Schwestern vom armen Kinde Jesus. Das traditionsgewöhnte Auge findet in der Nikolauskirche viele Ziele. Hier besticht die Fantasie der „Rahmen“: In einem alten Trog, in Laternen und selbst unter Käseglocken ist Platz für Krippen. Aber es gibt auch zwei Exoten: die „Motorradkrippe“ von Präsident Wolfgang Goebele und die Symbolkrippe von Christiane Eichler-Magdsick. Letztere wirkt eher wie ein Kunstwerk: Rotes Tuch, Goldkugel, Holzbalken.  

 

>>Krippe verbindet Konfessionen

Für die ehemalige evangelische Kunstlehrerin der St.-Ursula-Schule Eichler-Magdsick soll ihre Krippe „Menschen ansprechen, die nicht in der traditionellen Kirche verhaftet sind“; sie zitiert Alt-Bischof Heinrich Mussinghoff, der gesagt habe: „Es gibt verschiedene Weg zu Gott, wir suchen sie alle.“ Die goldene Kugel spiegelt den Betrachter und bringe ihn so inmitten des Heilsgeschehens. „Hier ist es das Aufgenommen-Sein und nicht nur das Zuschauen.“   

 

>>Krippe polarisiert

„Holt die Krippen in Eure Welt!“ Das ist auch der Appell von Weltkrippenkongress-Präsident Wolfgang Goebele. „Die Krippe gehört mitten ins Leben und in unsere Zeit.“ Darum ist es ihm auch ein Anliegen, dass junge Krippenbauer ohne Gestaltungsgebote die Heilige Familie in Szene setzen. Auch in Kriegsgebieten stünden Krippen. „Das ist manchmal hart und tut auch weh.“ Der Eilendorfer selbst plant nach der Motorrad-Krippe in diesem Jahr eine „Fridays-for-Future“-Krippe mit Schaufelradbagger. Wichtig sei vor allem die Symbolik. Krippe verbindet eben nicht nur, sie polarisiert auch: sowohl optisch als auch inhaltlich. 

Eindrücke vom Weltkrippenkongress in Aachen

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