Besonnen und solidarisch

Wie erleben Pflegekräfte in Krankenhäusern und Seniorenheimen die Corona-Pandemie

Früh richtete das Marienhospital eine separate Covid-19-Isolierstation ein. (c) Katholische Stiftung Marienhospital
Früh richtete das Marienhospital eine separate Covid-19-Isolierstation ein.
Datum:
5. Mai 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 19/2020 | Kathrin Albrecht

Weltweit hat die Corona-Pandemie das Leben fest im Griff. Täglich verfolgen wir die aktuellen Entwicklungen. Dabei rückt eine Gruppe in den Fokus, über die sonst eher wenig gesprochen wird: die Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Die KirchenZeitung schaut auf die aktuelle Situation. 

Mitte Februar erreichte das neuartige Coronavirus Nordrhein-Westfalen und die Region Aachen. Das betraf auch die Organisation in den Krankenhäusern. Zügig richtete das Aachener Marienhospital eine eigene Pandemie-Einheit mit einer separaten Covid-19-Isolierstation ein. Daneben musste der laufende Klinikbetrieb aufrecht erhalten werden. „Wir erleben im Marienhospital Aachen aktuell einen sehr bemerkenswerten Zusammenhalt“, schildert Sandra Stöbener, Pflegedirektorin am Marienhospital: „Unsere Teams waren zu jeder Zeit ruhig und besonnen, wir schätzen dabei besonders die Hilfsbereitschaft und Solidarität untereinander.“ 

Umgehen mussten die Teams dabei auch mit Ängsten, sowohl unter den Mitarbeitern als auch bei den Patienten. Dabei setze man auf offene Kommunikation, achte stets auf eine strikte Trennung zwischen Covid-19- und anderen Patienten. „Unsere Patienten werden sehr gewissenhaft durch die Ärzte, das Pflegepersonal und auch die Klinikseelsorge aufgeklärt und finden jederzeit ein offenes Ohr.“ Auch das Marienhospital bekam zu spüren, wie schwierig und insbesondere auch teuer die Beschaffung von Schutzkleidung in Zeiten von Corona ist. Immer wieder überraschten Sachspenden die Mitarbeiter – von selbstgenähten Mund-Nasen-Schutzmasken für die Patienten, Gesichtsschutzmasken aus dem 3D-Drucker bis hin zu Schutzkleidung und  Desinfektionsmitteln. Nicht zuletzt durch diese Unterstützung konnte das Marienhospital einen ausreichenden Schutz für Mitarbeiter und Patienten sicherstellen.

Nach Ostern signalisierten die politischen Weichenstellungen erste Lockerungen, die ersten sind bereits realisiert. Auch im Marienhospital beginnen Schritte zurück zum normalen Klinikbetrieb. Doch, so warnt Sandra Stöbener, sei es noch zu früh, von Entspannung zu sprechen. Man dürfe nicht außer Acht lassen, dass die Fallzahlen jederzeit wieder ansteigen könnten. Darauf sei man im Marienhospital gut vorbereitet. 

 

Videotelefonie und ehrenamtliche  Unterhaltung mildern die Einsamkeit

Von einem auf den anderen Tag änderte sich auch in den Alten- und Seniorenheimen der Region einiges, so auch im Marienheim in Stolberg-Büsbach mit 76 Bewohnern. Zurzeit befinden sich zwei Bewohner nach Krankenhausaufenthalten in Quarantäne. Bei einer Reihentestung aller anwesenden Bewohner durch das Gesundheitsamt waren alle bisher vorliegenden Ergebnisse negativ, ebenso sind die aktiven Mitarbeiter negativ auf Sars-Cov-2 getestet worden.  Insgesamt, sagt Birgit Hallmann, Pflegedienstleiterin und stellvertretende Einrichtungsleiterin des Marienheims, sei die Stimmung unter den Bewohnern gut. „Alle haben Verständnis für die aktuelle Situation, wenngleich es nicht alle aufgrund ihrer Erkrankung verstehen können.“

Die Mitarbeiter, berichtet Hallmann weiter, wurden zu Beginn der Pandemie umfassend aufgeklärt, informiert und geschult. „Sie haben weniger Ängste um ihre eigene Gesundheit. Die Angst um die hochbetagten Bewohner und ihre Familienangehörigen ist größer.“ Auch die Bewohner äußerten keine Ängste. „Es herrscht eher ein Unsicherheitsgefühl in Bezug auf die Dauer der Pandemie und die Dauer der Besuchsverbote“, schildert Birgit Hallmann. Mit Schutzkleidung sei man durch die Stadt Stolberg und die Städteregion versorgt worden. Der Bestand reiche aus, doch müsse man ressourcenschonend damit umgehen, denn im Fall einer Infektion würde sich der Verbrauch drastisch erhöhen. 

Eine Belastung sei für viele Bewohner das Besuchsverbot. Der soziale Dienst betreue die Bewohner umfassend, es finde Einzelbetreuung statt, außerdem wird Videotelefonie angeboten. Doch das, sagt Birgit Hallmann, könne die gewohnten Besuche nicht ersetzen: „Besonders die an Demenz erkrankten Bewohner können die Situation nicht verstehen.“  Umso schöner sei da die Unterstützung durch die Öffentlichkeit. Eine Osterpost-Aktion stieß auf große Resonanz. Der evangelische Pfarrer Frank Ertel hielt vor dem Haus eine Osterfeier. Das Aachener „Das-Da“-Theater und die Mausbacher Sänger sind ehrenamtlich aufgetreten, um das Gefühl der Einsamkeit wenigstens vorübergehend etwas zu mildern. Von den von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angekündigten Erleichterungen in der Dokumentationspflicht bliebe im Pflegealltag wenig übrig, merkt Birgit Hallmann an: „Wir haben immer noch eine Nachweispflicht im Bereich der Dokumentation. In der Corona-Pandemie kommt die täglich mehrfache Symptomkontrolle der Bewohner hinzu, diese muss zusätzlich zu der Durchführungskontrolle dokumentiert werden. Außerdem kommt der Medizinische Dienst der Krankenversicherung zur Feststellung des Pflegegrades nicht mehr ins Haus, auch da ist man auf eine lückenlose Dokumentation an-gewiesen. Zusätzlich muss ein Besuchs-register geführt werden und bei allen  Mitarbeitern im Dienst muss eine tägliche Symptomkontrolle dokumentiert werden.“ 

Durch die Corona-Pandemie erfahren die Pflegekräfte plötzlich eine Anerkennung, die sie lange vermisst haben. Doch es brauche mehr als symbolische Gesten: „Wichtig wäre eine einheitliche Regelung der Verteilung von Schutzausrüstung und Medikamenten sowie eine größere Transparenz in der Kommunikation. Ebenso wäre es schön, wenn sich die Wertschätzung für die im medizinischen Sektor Tätigen künftig nicht nur in warmen Worten, sondern auch in konkreten Taten hinsichtlich der Verbesserung der Arbeitsbedingungen widerspiegeln würde“, unterstreicht Sandra Stöbener.  Auch Birgit Hallmann wünscht sich mehr Information und klare Handlungsanweisungen. „Die letzte Verordnung zur Regelung von Neu- und Wiederaufnahmen in vollstationären Dauer- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen stammt vom  3. April 2020. Diese Verordnung hatte Gültigkeit bis zum 19. April 2020. Seither gibt es keine neue Verordnung. Wir schweben sozusagen im rechtsfreien Raum. Eine Handlungsanweisung seitens des Ministeriums gibt es zurzeit nicht.“

Pflegekräfte in der Corona-Pandemie

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