Besondere Kirche am Ort

Die Citykirche St. Nikolaus und die ökumenische Cityseelsorge bieten Menschen ein breites Angebot

Die Tür steht einladend offen. Aufsteller weisen auf aktuelle Angebote wie den I-Punkt oder den Mittagsimpuls um Viertel nach zwölf hin. (c) Andrea Thomas
Die Tür steht einladend offen. Aufsteller weisen auf aktuelle Angebote wie den I-Punkt oder den Mittagsimpuls um Viertel nach zwölf hin.
Datum:
15. Apr. 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 16/2019 | Andrea Thomas

Mitten im hektischen Betrieb einer städtischen Fußgängerzone mit Touristen und Menschen, die zur Arbeit unterwegs sind oder Einkäufe erledigen, ist sie eine Insel.

Die offene Tür signalisiert: „Fühl dich willkommen und tritt ein.“ Wer es tut, findet Ruhe, manchmal eine Ausstellung oder ein Konzert, an vielen Tagen einen Menschen, der freundlich Fragen beantwortet oder zu einem Gespräch in schwierigen Lebenssituationen angesprochen werden kann.

 

>> Ort für Spiritualität

Die Citykirche kennen viele von Konzerten oder Ausstellungen. Doch ist sie bei Weitem nicht nur ein Veranstaltungsort sondern vor allem immer noch ein Gotteshaus. Das ist dem Team der ökumenischen Cityseelsorge um Pfarrerin Sylvia Engels und Pfarrer Timotheus Eller wichtig. „Hier finden keine klassischen Gemeindegottesdienste statt, aber jeden Sonntag um 19 Uhr feiert die katholische Hochschulgemeinde hier ihre heilige Messe. Außerdem gibt es übers Jahr eine Reihe besonderer Gottesdienste und spiritueller Feiern“, erklärt Timotheus Eller. Letztere richten sich schwerpunktmäßig an „Menschen in Lebenskrisen und Lebensübergängen“. Dazu zählen die Gedenkfeier für früh verwaiste Eltern, spirituelle Feiern für Angehörige und Freunde von Suizidopfern, Menschen in Trennung und Scheidung, Mitarbeiter aus der Hospiz- und Palliativarbeit sowie eine Gedenkfeier für Angehörige und Freunde verstorbener wohnungsloser und bedürftiger Menschen. Am Valentinstag findet außerdem eine Feier mit Segen für junge und ältere Paare statt. Vorbereitet und erarbeitet werden sie gemeinsam mit den jeweiligen ökumenischen Fachdiensten aus Seelsorge und Beratung sowie mit vom Thema betroffenen Menschen.

Darüber entstehen Zugänge zu Glauben und Spiritualität gerade auch für Menschen, die sich Kirche nicht so verbunden fühlen, die aufgrund von Erlebtem zweifeln und hadern, aber auf der Suche nach Sinn, Halt und Hoffnung in Krisen sind. Die Citykirche bietet seit vielen Jahren auch den Rahmen für den zentralen Holocaust-Gedenktag in Aachen am Sonntag nach dem 27. Januar. Gestaltet wird er von der Cityseelsorge gemeinsam mit der katholischen Frauengemeinschaft (KFD). Seit einiger Zeit gibt es außerdem jeden Dienstag und Donnerstag einen kurzen Mittagsimpuls: Musik, Besinnung, Musik, Stille und Segen. „Am Ende schaue ich, ob jemand Fragen hat. Daraus haben sich schon einige gute Gespräche ergeben“, berichtet Timotheus Eller. Aber es gebe auch Tage, wo er allein bleibe. Für Menschen, die einen Ort für ein stilles Gebet suchen und dies nicht zwischen Ausstellungsbesuchern oder Touristen tun wollen, steht die Anbetungskapelle zur Verfügung, wo bewusst nichts anderes stattfindet. In der Fasten- und Adventszeit gibt es außerdem immer wieder besondere Angebote, die diese geprägten Zeiten vertiefen.

 

>> Ort für helfende Gespräche

Da zu sein, zuzuhören, wo Menschen ein Gespräch suchen, sie in schwierigen Situationen nicht allein zu lassen und auf einem niedrigschwelligen Niveau ansprechbar zu sein, ist eine Grundaufgabe von Seelsorge und ein zentrales Anliegen der verschiedenen Gesprächsangebote der Cityseelsorge. So lädt das Angebot „Samowar“ samstags zwischen 11 und 13 Uhr ein, bei einer Tasse Tee in lockerer Atmosphäre ins Gespräch zu kommen. Mehr in die Tiefe geht die „Sprechzeit“, immer dienstags, mittwochs und donnerstags von 15 bis 17 Uhr sowie donnerstags von 10 bis 12 Uhr. Ein Team aus qualifizierten Ehrenamtlichen – Sozialarbeiter, Therapeuten, Berater, Lehrende und Theologen – bietet Menschen ein offenes Ohr, denen „etwas auf der Seele liegt“. Sie alle unterliegen der Schweigepflicht, wer wann Dienst hat, können Ratsuchende einer ausliegenden Übersicht entnehmen. Eine Anmeldung ist nicht nötig, doch es kann hilfreich sein, einen Termin zu verabreden, damit der Ansprechpartner sich auch Zeit nehmen kann.

Das Angebot arbeitet eng mit dem katholischen Beratungszentrum zusammen. Wo weitergehende Beratung nötig ist, verweist das Team dorthin. Umgekehrt leiten die Berater dort zu einem „Entlastungsgespräch“ an die „Sprechzeit“ weiter, wenn ein Termin kurzfristig nicht möglich ist. Ergänzt wird das Angebot seit vergangenem Jahr durch „Ansprechbar“, dem von Pfarrer Hans-Georg Schornstein entwickelten Gesprächsformat, das nun an die Cityseelsorge angebunden ist und deren Arbeit auch nach außen trägt, so regelmäßig freitags (14 bis 16 Uhr) ins Café Extrablatt oder vor Heimspielen der Alemannia in den „Klömpchensclub“. Außerdem bietet der „Weiße Ring“ seit einiger Zeit immer montags von 16 bis 18 Uhr ein offenes Angebot. Eine Kooperation, die gut zum vorhandenen Gesprächsangebot und zur Philosophie der Citykirche passe, wie Timotheus Eller erklärt.

 

>> Ort, der Menschen zusammenbringt

Eine zentrales Element der Citypastoral ist es, einen Ort zu bieten, an dem ganz unterschiedliche Menschen miteinander in Berührung kommen. Sei es über die Ausstellungen oder Veranstaltungen wie die Nacht der offenen Kirchen. Hier komme „Religiöses, Politisches, manchmal Kontroverses und Wohltuendes“ zusammen, sagt Timotheus Eller. Drei Ausstellungen 2019 sind dafür Beispiel: Anfang des Jahres die Ausstellung „Leben nach dem Überleben“ des Vereins „Amcha“, die die Lebensgeschichten von Menschen, die den Holocaust überlebt haben, und deren Angehörigen erzählt hat. Im März in Zusammenarbeit mit dem Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ die Ausstellung „30 Jahre Kinderrechte“ und im Juni „Schwarz ist der Ozean“ zur Verbindung von Flucht heute mit der Geschichte des Kolonialismus und Sklavenhandels.

Die Citykirche ermögliche, dass Dinge stattfänden, die sonst nicht stattfänden, weil sie keinen Ort hätten, fasst Thimotheus Eller zusammen. So versuchten sie auch immer wieder Räume zu schaffen für Gruppen, die vielleicht auf den ersten Blick keinen engen Bezug zu Kirche haben. Eine wichtige Kooperation ist die mit „Amnesty international“ und der „Save-me“-Kampagne, in der sich auch die Kirchen engagieren. So findet in der Citykirche unter anderem zwei Mal im Jahr der „Wollsammeltag“ des Projektes „Stricken gegen die Kälte“ statt. Kooperationen, aus denen sich vieles ergebe, wie Pfarrer Timotheus Eller erklärt. „Mir geht immer das Herz auf, wenn an diesem Ort ganz unterschiedliche Gruppen aufeinandertreffen und es uns gelingt, Menschen mit verschiedenen Ausgangslagen ins Gespräch zu bringen.“

 

>> Ort mit offenen Türen

Für Kirchen mittlerweile gar nicht mehr so üblich, ist die ökumenische Citykirche jeden Tag von neun bis 19 Uhr geöffnet. Menschen sind eingeladen, sich umzusehen, ein Gebet zu sprechen, eine Kerze anzuzünden oder für einen kurzen Moment Ruhe in dem weiten, hellen Kirchenraum zu finden. Auf einem Lesetisch liegen verschiedene kirchliche Schriften aus. Für Kinder steht seit einiger Zeit auch eine kleine Kinderecke mit ausgewählten Bilderbüchern zur Verfügung. An den meisten Tagen – montags und freitags von 16 bis 18 Uhr, dienstags und donnerstags von 10.30 bis 12.30 Uhr – finden Besucher hier auch einen freundlichen Menschen aus dem I-Punkt-Team. Die Ehrenamtlichen beantworten Fragen zur Kirche und ihrer Geschichte, zum Beispiel zum beim Brand 2011 zerstörten und restaurierten Hochaltar und warum die „Narben“ geblieben sind. Aber auch Fragen wie die, wo es zum Dom oder anderen Sehenswürdigkeiten geht.

Außerdem informieren sie über die Angebote der Aachener Kirchen sowie der Citykirche selbst von Veranstaltungen bis Gesprächsangeboten. Sie tun aber noch viel mehr, sie geben der Kirche ein Gesicht, vermitteln den Menschen ein Gefühl von Willkommen-Sein. „Wir versuchen zu erspüren, möchte jemand ein Gespräch oder einen Moment Ruhe“, beschreibt es eine der Ehrenamtlichen. Die Vielfalt der Menschen, denen man hier begegne, sei bereichernd. Natürlich gibt es auch schwierige Begegnungen, zum Beispiel, wenn besonders im Winter Obdachlose in der Kirche Zuflucht vor der Kälte suchen. Das führe auch schon mal zu Reibungspunkten mit Besuchern, wie Timotheus Eller berichtet. „Solange sie sich ruhig verhalten, ist das in Ordnung, aber wir sind eben auch ein Gotteshaus“, wirbt er um entsprechende Rücksichtnahme und Respekt.

Das Team des I-Punkts sucht Verstärkung. Wer sich vorstellen kann, sich hier einzubringen, soll sich bei Marion Vandervelt melden, die das Team begleitet: marion.vanderfelt@bistum-aachen.de.