Beratung im Umbruch

Für das Team im Beratungszentrum Mönchengladbach hat die Corona-Krise auch gute Seiten

Die positive Seite der Corona-Krise: In vielen Familien führte die gemeinsame Zeit zu einer neuen Nähe. (c) www.pixabay.com
Die positive Seite der Corona-Krise: In vielen Familien führte die gemeinsame Zeit zu einer neuen Nähe.
Datum:
22. Sep. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 39/2020 | Garnet Manecke

In einer Krisensituation ist der Mensch besonders verletzlich. Da kann es hilfreich sein, wenn man bei der Bewältigung von einer neutralen Person begleitet wird. Das leistet das Team von Anna Vincent im Beratungszentrum Mönchengladbach. Sie berichtet, wie Corona die Arbeit der Beraterinnen verändert hat.

Seit April leitet Anna Vincent das Katholische Beratungszentrum in Mönchengladbach. (c) privat
Seit April leitet Anna Vincent das Katholische Beratungszentrum in Mönchengladbach.

Den Klienten des Beratungszentrums geht es in der Regel nicht gut. Deshalb suchen sie dort Hilfe. In den Gesprächen stellen die Beraterinnen ihren Klienten Fragen, mit denen sie sich auf die Suche nach der Ursache von Problemen und möglichen Lösungen machen. In der Regel werden dafür Termine zu persönlichen Gesprächen vereinbart. Aber Anfang März war das plötzlich nicht mehr möglich. Auch im Beratungszentrum wurde in den ersten Wochen auf die Arbeit im Home-Office umgestellt.

„Wie in vielen anderen Beratungsstellen ist in dieser Zeit auch bei uns die Anzahl der Anfragen zurückgegangen“, sagt Anna Vincent, Leiterin des Beratungszentrums Mönchengladbach. „Bei der Telefonseelsorge dagegen sind die Zahlen gestiegen.“ Ein Zeichen dafür, dass die Ratsuchenden das persönliche Gespräch, bei dem man sich gegenübersitzt, in dieser Zeit gemieden haben. Aber wer schon einmal eine Krise durchgemacht hat, weiß, dass es eine große Hilfe sein kann, sich jemandem anzuvertrauen, der neutral auf die Situation schaut. „Deshalb haben wir versucht, früh wieder vor Ort ereichbar zu sein und unser Angebot der Telefon- und Videoberatung weiter ausgebaut“, sagt Anna Vincent. Denn gerade in einer globalen Krise, wie sie derzeit herrscht, sind die Beratungsangebote auf Dauer sehr gefragt.


Die Corona-Krise hat Konflikte verschärft, aber auch eine neue Nähe ermöglicht

Wie in vielen Bereichen hat Corona auch in Familien die Konflikte verschärft. Viele Beratungsanfragen hatten häusliche Gewalt oder Existenzängste wegen des drohenden Verlustes des Arbeitsplatzes zum Thema. „Ich habe den Eindruck, dass die komplette Isolation bei vielen auch das Gefühl der Einsamkeit verstärkt“, sagt die Psychologin. „Bei zahlreichen Menschen hat Corona zudem sehr starke Ängste ausgelöst.“ Auch psychische Beeinträchtigungen, die vorher schon vorhanden waren, sind durch die Krise oft verstärkt worden.

Aber die Corona-Krise hat auch postive Seiten offenbart. „Es gab einige Beispiele, dass es zu ganz neuen Erfahrungen in den Familien gekommen ist“, berichtet Anna Vincent. „Zum Beispiel, dass Kinder plötzlich einem Elternteil wieder näher gekommen sind.“ Der Grund ist einfach: Weil viele außerfamiliären Aktivitäten weggebrochen sind, hatten Eltern und Kinder wieder mehr Zeit, die sie miteinander verbrachten.

 


In der Krisenzeit hat das Beratungsteam vor allem sein digitales Angebot ausgebaut

Nicht nur für die Klienten, sondern auch für die Beraterinnen bedeutet Corona einen Umbruch. „In unserem Team war die erste Frage, wie wir uns besser vernetzen können“, sagt Anna Vincent. Denn auch die Profis in Psychenhygiene und Konfliktbewältigung benötigen in Krisenzeiten Unterstützung. Bei der Entwicklung eines Hygienekonzepts ist das gesamte Team einbezogen worden. Neben allgemeinen Regeln, die in den Räumen des Beratungszentrums gelten, entscheidet jede Beraterin individuell, ob im Gespräch mit Klienten Masken getragen werden sollen oder sie eine transparente Trennwand einsetzt.
Sein Angebotsspektrum hat das Beratungszentrum erweitert. Wenn möglich, werden die Gespräche nun per Videochat geführt. Das hat den Vorteil, dass die Beraterinnen auch die Reaktionen der Klienten sehen können. Dass dadurch auch Anfahrtswege wegfallen, ist gerade für Ratsuchende aus dem Mönchengladbacher Umland ein weiterer Vorteil. In der Erziehungsberatung hat sich das telefonische Angebot als Erfolgsmodell herausgestellt.

„Für viele ist es vermutlich einfacher, sich im Alltag eine halbe Stunde abzuzwacken, als die Zeit für ein Gespräch vor Ort aufzubringen“, vermutet Anna Vincent. Auch neue Formate probiert das Beratungsteam aus. „Das Team für Religions- und Weltanschauungsfragen hat zum Beispiel einen Podcast aufgesetzt“, sagt die Familienberaterin. „Darin werden aktuelle Themen wie zum Beispiel Verschwörungstheorien besprochen.“ Neben der Erstinformation für Klienten erhofft sich Vincent noch einen anderen Effekt: Mit den digitalen Angeboten sollen auch jüngere Ratsuchende angesprochen werden. Denn für sie gibt es kaum spezielle Beratungsangebote.

„Für mich ist wichtig, dass wir auch für die Zukunft digital aufgestellt sind“, sagt die Zentrumsleiterin. Bei allen neu entwickelten Angeboten soll nun ausgewertet werden, wie sie angenommen wurden, und ob es sinnvoll ist, sie auszubauen.

Im Bistum Aachen gibt es zwei Beratungszentren für Ehe-, Familien-, Lebens- und Glaubensfragen. Das Mönchengladbacher Team mit einer Außenstelle in Erkelenz ist unter Tel. 0 21 61/89 87 88 erreichbar, das Team in Aachen 
unter Tel. 02 41/2 00 85, 
www.beratungszentrum-mg.de
www.beratungszentrum-aachen.de.