Achtung: Bordsteinkante!

Im Rollator-Workshop lernen Senioren den richtigen Umgang mit ihrem Begleiter auf vier Rädern

Ergotherapeutin Claudia Schulze macht vor,  wie man in drei Schritten mit Rollator sicher eine Stufe hoch- oder runtergeht. (c) Andrea Thomas
Ergotherapeutin Claudia Schulze macht vor, wie man in drei Schritten mit Rollator sicher eine Stufe hoch- oder runtergeht.
Datum:
25. Feb. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 09/2020 | Andrea Thomas

Vor einigen Jahren war es so manchem Senior und so mancher Seniorin noch etwas unangenehm, mit einem „Wägelchen“ oder „Rentnerporsche“ unterwegs zu sein. Das hat sich inzwischen (zum Glück) verändert: Ältere Menschen mit einem Rollator gehören zum Straßenbild. Der Gehwagen gibt  Sicherheit und ein Stück Selbstständigkeit, um auch, wenn man nicht mehr ganz so  sicher auf den Beinen ist, weiter aktiv am Leben teilhaben zu können.

Doch wie geht man mit so einem Helfer auf vier Rädern richtig um? Der Rollator-Workshop gibt Hilfestellung. Den bietet Claudia Schulze, Ergotherapeutin an der Rehaklinik „An der Rosenquelle“ der katholischen Stiftung Marienhospital, seit kurzem auch für Menschen an, die keine stationären Patienten sind. „Bei den Patienten hier aus dem Haus gehört das für jeden dazu, der einen Rollator hat und nutzt, damit er sicherer im Umgang damit wird. Die machen alle bei mir ihren Rollator-Führerschein“, sagt sie. Denn bei falscher Handhabung könne der Rollator, der eigentlich Stürze verhindern soll, zum Risikofaktor werden.

Sie weiß, wovon sie spricht. Beim Versuch, mit einem Rollator eine Stufe hinunterzugehen, sei er ihr vornübergekippt und sie hinterher. „Wenn mir das schon als jüngerer Mensch passiert, der noch fit und gut auf den Beinen ist, wie gefährlich kann das dann für jemand Älteren werden.“ Deshalb hat sie das Angebot auch für Menschen außerhalb einer Reha geöffnet.  An diesem Vormittag ist die Gruppe gemischt: Fünf Senioren, vier Damen und ein Herr, haben sich mit ihren Rollatoren eingefunden, drei von außerhalb, zwei sind Patientinnen. Sie alle sind mehr oder weniger vertraut mit ihrem Gefährt und hoffen auf hilfreiche Ratschläge und Kniffe, um sicherer damit umzugehen. „Ohne geht es nun mal nicht mehr, also ist es ja besser, ich lerne hier, wie es geht. Man will ja auch weiter vor die Tür kommen“, sagt eine Dame. Erwartungsvoll sitzen sie auf Stühlen am Kopfende des Raumes, ihre Rollatoren vor sich geparkt. Im Raum hat Claudia Schulz einen kleinen Parcours aus roten Verkehrshütchen aufgebaut. Daneben gibt es einen kurzen Weg mit verschiedenen Untergründen, der simuliert, wie es sich über Rasen oder das gerade in der Stadt Aachen verbreitete Kopfsteinpflaster fährt. Außerdem geht es an einer kleinen Rampe bergauf bzw. bergab.

Doch zunächst steht das Gefährt selbst im Mittelpunkt. „Es gibt verschiedene Modelle. Daher ist es wichtig, sich mit seinem Modell vertraut zu machen und ganz wichtig, zu schauen, dass der Rollator von der Größe passt und die Handgriffe richtig eingestellt sind“, erläutert Claudia Schulze. Richtig stehen die Griffe, wenn sie bei locker hängendem Arm auf Höhe des Handgelenks sind. Dann stimmt auch die Haltung. Die sollte beim Gehen – stets mit festem Schuhwerk – mit einem Rollator aufrecht und nicht nach vorne gebeugt sein. Auch sollte man zwischen den Hinterrädern gehen und keinen Abstand zum Gerät halten, während man es vor sich herschiebt. Das wird ebenso geübt, wie der richtige Umgang mit den Bremsen. Die können – je nach Situation und Bedarf – hochgezogen werden, zum Beispiel zum kurzen Bremsen beim Stehenbleiben, oder nach unten  gedrückt und festgestellt werden, wenn man den Rollator „parkt“ oder sich darauf setzt. Sitzfläche und Korb oder Tasche, in denen sich Dinge verstauen lassen, gehören meist zur Grundausstattung.

 

Mehr Sicherheit im Alltag gewinnen

Dann geht es los mit den praktischen Übungen: Claudia Schulze macht vor, die Senioren machen es ihr nacheinander und unter ihrer Anleitung nach. Bei dem aufgebauten Hütchen-Parcours geht es darum, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie man enge Kurven nimmt. So ein Rollator hat schon eine gewisse Breite und nicht überall ist genug Platz für groß gefahrene Kurven. Das gilt unterwegs in der Stadt, aber besonders auch in geschlossenen Räumen wie in der Arztpraxis oder in den eigenen vier Wänden.  „Die Füße bleiben zwischen den Rädern“, erinnert Claudia Schulze. Mit ein bisschen Üben haben die Senioren den Bogen bald raus. „Jeht doch schon juut“, meint Theo Sion, der einzige Herr in der Runde, in leichtem Öcherisch. Seine Frau Ursula, die ihn begleitet, schmunzelt. „Mein Mann hat den Rollator erst seit November. Zuhause geht er noch mit dem Stock, aber draußen ist der Rollator besser“, erzählt sie. Sie helfe und verbessere, wo sie könne, aber es brauche halt doch professionelle Anleitung, um zu lernen, wie man es richtig macht und, um nicht direkt wieder in alte Muster zu verfallen. Als ihre Tochter sie auf den Kurs aufmerksam gemacht habe, hätten sie sich daher sofort angemeldet.

 

Auch Hinsetzen will gelernt sein

Nachdem der erste gut geklappt hat, geht es nun in den Spezial-Parcours. „Wir haben hier verschiedene Untergründe nachempfunden, damit Sie auch dafür ein  Gefühl bekommen“, erläutert Claudia Schulze. Auch hier macht sie zunächst vor, worauf es ankommt. Bergab werden die Bremsen leicht angehalten, um den Rollator zu verlangsamen. Wichtig ist, nicht ängstlich zu sein und immer schön aufrecht zwischen den Rädern zu gehen. Auch auf Wiese und Kopfsteinpflaster gilt: aufmerksam bleiben und sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Wer schneller ist, darf gerne überholen. Die Kür ist die Bordsteinkante: „Wir machen das in drei Schritten“, erklärt die Ergotherapeutin Claudia Schulze. „Zuerst bringen wir den Rollator auf die höhere bzw. niedrigere Ebene, dann ziehen wir die Bremsen hoch, damit er uns nicht wegrollt, und im letzten Schritt gehen wir selbst die Stufe hoch oder runter.“ Hochkonzentriert machen sich die fünf Senioren auf den Weg. 

An diesem Vormittag lernen sie noch, wie sie mit dem Rollator rückwärts gehen (große Schritte, ausreichend Abstand zum Gefährt halten, damit er einem nicht zwischen die Füße kommt, und die Bremsen nutzen), worauf sie beim Busfahren achten müssen (nicht auf den Rollator setzen! Vorsicht beim Ein- und Aussteigen und sich nicht scheuen, Mitfahrende um Hilfe zu bitten) und wie man sich auf seinen Rollator sicher hinsetzt.  „Wie viele Räder hat unser Rollator?“, will Claudia Schulze wissen, „und wie viele Bremsen?“ Vier und zwei, lauten die prompten Antworten – was deutlich macht, wo das Problem liegt, nutzt man sein Gefährt unterwegs als Sitz. „Sie sollten sich daher immer eine Wand suchen, gegen die Sie ihren Rollator parken können, um für zusätzlichen Halt zu sorgen.“

Überhaupt: hinsetzen. Wie macht man das am besten als Rollatorfahrer? „Sie fahren an einen Stuhl heran, drehen, parken mit dem Rollator ein – Sie müssen hinter sich die Sitzfläche des Stuhls an den Beinen fühlen – und ziehen die Bremsen an. Erst dann tasten Sie mit der Hand nach hinten, wie tief die Sitzfläche ist, und setzen sich mit Bedacht hin.“ Nach einer Kaffeepause folgt noch eine Einheit Gymnastik am Rollator, um die Muskeln zu trainieren, die durch das  veränderte Gehen weniger beansprucht werden. Das sind vor allem Rücken und Oberschenkel. Beides ist wichtig für eine sichere und stabile Körperhaltung. Auch hier sind die fünf Senioren mit viel Eifer dabei. Jeder und jede so, wie sie es können. Am Ende gibt es für alle viel Lob und den „Führerschein“. „Da sind sie dann immer besonders stolz“, sagt Claudia Schulze schmunzelnd. Auch sie ist zufrieden: wieder fünf ältere Menschen, die nun (selbst-) sicherer unterwegs sind.

 

Der Rollator-Workshop findet regelmäßig  in der Rehaklinik statt. Termine und  Anmeldung unter:  www.marienhospital.de   Außerdem können sich interessierte  Senioreneinrichtungen direkt bei Claudia  Schulze melden: schulze-claudia@gmx.net

Der richtige Umgang mit dem Rollator

3 Bilder