Schämt Euch!

Ein Standpunkt von Garnet Manecke

Garnet Manecke
Garnet Manecke
Datum:
10. März 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 11/2020

Da hatten die Verantwortlichen in Europa fünf Jahre Zeit, eine gemeinsame Lösung zu finden, wie die humanitäre Hilfe für Flüchtlinge organisiert werden kann und haben sie nicht genutzt.

Nun eskaliert die Situation zunehmend, und was passiert? Die Grenzen werden verstärkt abgesichert, die Flüchtlinge mit Reizgas und Waffengewalt daran gehindert, nach Europa zu kommen. Ist es das, was eine unserer Regierungsparteien unter „christlich“ versteht? Oder die andere Hälfte der Großen Koalition unter „sozial“? Sind die Buchstaben C und S in den Parteinamen nur noch Dekoration? Als bekannt wurde, dass in den USA Kinder in Lagern festgehalten wurden, war die Empörung hierzulande groß. Auch als eine Vertreterin einer rechtsextremen Partei 2016 davon sprach, die Grenzen gegen Flüchtlinge notfalls mit Waffengewalt zu verteidigen, wurde Empörung laut – auch aus den Regierungsparteien. Und nun geschieht genau das an den Grenzen von Europa. Ist es das, was in Europa unter dem Stichwort „Zivilisation“ verstanden wird? Dass Kinder in überfüllten Lagern leben müssen, in denen ihnen nur eine Plastikplane Schutz bietet? Dass niemand für sie zuständig ist und die Welt sie im Stich lässt? Ist das die Nächstenliebe, die wir Christen so gerne predigen? Ostern werden wir den Tod Jesu am Kreuz beklagen und seine Auferstehung feiern. Dabei sollten wir daran denken, dass jedes dieser Kinder in den Lagern Jesus ist, den wir gerade wieder im Stich lassen. Wir hören ihn rufen: Schämt Euch!

 

Die Autorin ist freie Journalistin und Redakteurin der Kirchenzeitung für das Bistum Aachen.